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6 % sind verfassungswidrig! Ab 2019 muss ein neuer Zinssatz für Steuernachforderungen und Steuererstattungen gelten

Mit Beschluss vom 8. Juli 2021 hat der Erste Senat des Bundesverfassungsgerichts entschieden, dass die Verzinsung von Steuernachforderungen und Steuererstattungen mit 0,5 % im Monat für Verzinsungszeiträume seit dem 1. Januar 2014 verfassungswidrig ist. Das bisherige Recht soll allerdings für bis in das Jahr 2018 fallende Verzinsungszeiträume weiter gelten.

Für Verzinsungszeiträume ab 2019 muss der Gesetzgeber jedoch eine rückwirkende verfassungsgemäße Neuregelung treffen. Die Frist hierzu ist der 31. Juli 2022.

Eine „Vollverzinsung“ gilt nach der Abgabenordnung u.a. für Einkommen-, Körperschaft-, Gewerbe- und Umsatzsteuer. Sie betrifft Steuernachforderungen und Steuererstattungen. Verzinst wird nach Abzug einer Karenzzeit von 15 Monaten über den Zeitraum zwischen Entstehen der Steuer und ihrer Festsetzung.

Das Verfassungsgericht bestätigt grundsätzlich das Prinzip der Vollverzinsung, nach welchem ein Zinsvorteil abgeschöpft wird, den die späte Steuerfestsetzung dem Steuerschuldner verschafft. Ein fester Zinssatz ist nach dem Gericht ebenso angemessen wie die Tatsache, dass Zinsen auch dann erhoben werden, wenn den Steuerschuldner keine Schuld für die verspätetete Festsetzung trifft.

Nach Ausbruch der Finanzkrise 2008 hat sich nach Ansicht des Gerichtes ein strukturelles Niedrigzinsniveau entwickelt. Spätestens seit 2014 ist danach die Zinshöhe realitätsfern. Zinszahlungen von 6 % p. a. bewirken seit 2014 eine unangemessene, überschießende Wirkung - eine nicht mehr verfassungsgemäße Ungleichbehandlung von Steuerpflichtigen, deren Steuer erst nach Ablauf der Karenzzeit festgesetzt wird gegenüber Steuerpflichtigen, deren Steuer innerhalb der Karenzzeit festgesetzt wird.

Seit dem BMF-Schreiben vom 2. Mai 2019 werden von der Finanzverwaltung Zinsen vorläufig hinsichtlich der Verfassungsmäßigkeit der Höhe des Zinssatzes festgesetzt. Entsprechende Verweise wurden in die Steuerbescheide aufgenommen. Eine Änderung des Zinssatzes ab 2019 wird daher von Amts wegen umgesetzt werden - Einsprüche sind insoweit nicht nötig.

Aktuell berührt von der zu erwartenden Änderung sind vor allem bereits erteilte Änderungsbescheide nach Betriebsprüfung.

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