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Arbeitsrechtliche Einstufung von „Crowdworkern“ bei arbeitnehmertypischer Steuerung

Als Crowdworker werden Berufstätige bezeichnet, die Arbeitsaufträge annehmen, die einer Masse (Crowd) zur Verfügung gestellt werden. Die Aufträge werden meist über Internetplattformen (sog. Crowdsourcing-Plattformen) angeboten. Crowdworker arbeiten in der Praxis oftmals auf selbständiger Basis und nicht als Angestellte. Das BAG hat kürzlich erstmals den arbeitsrechtlichen Status von Crowdworkern grundsätzlich geklärt.

Aufträge durch „Anklicken“ unter Nutzung einer Auftragsplattform

In dem zu beurteilenden Sachverhalt hatten der klagender Crowdworker C und das beklagte Crowdsourcing-Unternehmen eine Basisvereinbarung nebst ergänzender AGB geschlossen Hierdurch erhielt C den Zugang zu Aufträgen auf einer Internetplattform in Form einer auf dem Handy installierten App. Über das Nutzen der Auftragsplattform konnte C die Aufträge durch einfaches Anklicken annehmen. Seine Tätigkeit bestand in der Durchführung von Kontrollen der Warenpräsentationen im Einzelhandel und an Tankstellen. Eine Vereinbarung über das Auftragsvolumen lag nicht vor, ebenso wenig eine Pflicht des C, bestimmte Aufträge anzunehmen. Innerhalb von 11 Monaten nahm er so ca. 3.000 Aufträge an und erzielte bei 20 Stunden Tätigkeit pro Woche durchschnittlich 1.750 € monatlich. Nach Unstimmigkeiten beendete das Unternehmen die Zusammenarbeit mit dem Crowdworker, woraufhin dieser Kündigungsschutzklage erhob.

Bisherige Rechtsprechung: Crowdworker nicht weisungsgebunden

Nach der Rechtsprechung lag bislang bei Crowdworkern keine Arbeitnehmereigenschaft vor, da diese jeweils selbst entscheiden konnten, ob sie für eine Crowdsourcing-Plattform tätig werden oder nicht. So kamen auch die beiden Vorinstanzen (ArbG München, Urt. v. 20.2.2019, Az.: 19 Ca 6915/18; LAG München, Urt. v. 4.12.2019, Az.: 8 Sa 146/19) zu der Bewertung, dass der C nicht als Arbeitnehmer anzusehen sei. Die Basisvereinbarung erfüllte den Gerichten zufolge nicht die Voraussetzungen eines Arbeitsvertrags, da sich aus dieser keine Verpflichtung zur Erbringung der Leistung des C entnehmen lässt. Somit sei der Kläger weder weisungsabhängig noch in die betriebliche Organisation der Beklagten eingebunden. Demnach sei keine Arbeitnehmereigenschaft anzunehmen.

BAG: Crowdworker als Arbeitnehmer

Nunmehr geht das BAG mit seinem Urteil vom 1.12.2020 (Az.: 9 AZR 102/20) aber davon aus, dass ein Arbeitsverhältnis gem. § 611a BGB vorliegt, da das Crowdsourcing-Unternehmen die Zusammenarbeit über die von ihm online betriebene Auftragsplattform so steuerte, dass der Beschäftigte seine Tätigkeit nach Ort, Zeit und Inhalt nicht frei gestalten konnte. Dabei ist für das BAG unbeachtlich, ob der Betreffende vertraglich zur Annahme von Angeboten verpflichtet gewesen ist. Ausschlaggebend war die Organisationsstruktur der Auftragsplattform: Hiernach war es den Nutzern erst mit der Steigerung der Anzahl der durchgeführten Aufträge möglich, ein höheres Level im Bewertungssystem zu erreichen, indem sie mehrere Aufträge auf einer Route abarbeiten und somit faktisch einen höheren Stundenlohn erzielen konnten.

Durch dieses Anreizsystem wurde der Beschäftigte dazu veranlasst, kontinuierlich Kontrolltätigkeiten zu erledigen; somit ist ein Crowdworker – so das BAG – in solchen Fällen als Arbeitnehmer anzusehen. Die Klage des C hat das BAG gleichwohl zurückgewiesen, da eine vorsorglich durch das Crowdsourcing-Unternehmen erklärte Kündigung das Arbeitsverhältnis wirksam beendet hatte.

Hinweis: Das BAG konnte die Weisungsstruktur in diesem Fall noch mit dem bestehenden § 611a BGB lösen. Die Diskussion um eine gesetzliche Regelung hat das Gericht gleichwohl nicht beendet, sondern miteröffnet – insbesondere unter Berücksichtigung der erheblichen Beweisprobleme der Beschäftigten in weniger transparenten Fällen.

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