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ATAD-Umsetzungsgesetz – Teil II: Die neue Hinzurechnungsbesteuerung

Nachdem das BMF zunächst zwei Entwürfe eines „Gesetzes zur Umsetzung der Anti-Steuervermeidungsrichtlinie“ vorgelegt hatte, hat die Bundesregierung am 24.3.2021 das ATADUmsG beschlossen. Ein zentrales Element des Entwurfs ist die notwendig gewordene Reform der deutschen Hinzurechnungsbesteuerung gemäß den §§ 7 ff. AStG.

Grundsätze der Hinzurechnungsbesteuerung

Die Hinzurechnungsbesteuerung soll verhindern, dass Gewinne einer Gesellschaft im niedrig besteuerten Ausland der Besteuerung in Deutschland entzogen werden. Erfasst werden hiervon Gewinne einer ausländischen Gesellschaft, die in einem Niedrigsteuerland ansässig ist und an dem Inländer mehrheitlich beteiligt sind. Bei den zugrunde liegenden Leistungsbeziehungen wird zwischen „passiven“ und „aktiven“ Tätigkeiten unterschieden. Nur der Gewinn aus einer passiven Tätigkeit wird in Deutschland dem Steuerpflichtigen hinzugerechnet und besteuert. Die Regelungen der Hinzurechnungsbesteuerung durchbrechen somit die Abschirmwirkung von Kapitalgesellschaften im Ausland.

Bereits an dieser Stelle ist darauf hinzuweisen, dass die im Zuge der Novellierung der Hinzurechnungsbesteuerung von Wissenschaft und Praxis geforderte Herabsetzung der Niedrigbesteuerungsgrenze nicht erfolgt ist. Es gilt weiterhin eine Grenze von 25 %. Global betrachtet ist demnach aus deutscher Sicht eine Mehrzahl der Staaten insoweit als „Niedrigsteuerland“ zu klassifizieren.

Änderung der Anwendungsvoraussetzungen

Der Gesetzentwurf vom 24.3.2021 sieht, wie bereits die beiden Referentenentwürfe des BMF, eine grundlegende Reform des Beherrschungskonzepts vor. Nach geltendem Recht greift die Hinzurechnungsbesteuerung, wenn tatbestandlich eine Beherrschung der ausländischen Gesellschaft durch unbeschränkt Steuerpflichtige sowie das Vorliegen passiver, niedrig besteuerter Einkünfte gegeben sind. Nunmehr wird jedoch nicht mehr eine – ggf. rein zufällige – „Inländerbeherrschung“ vorausgesetzt, sondern eine faktische Beherrschung im Sinne einer koordinierten Nutzung durch nahestehende Personen. Hierbei sollen unbeschränkt steuerpflichtige Gesellschafter nicht mehr „mitgerechnet“ werden. Dadurch werden einerseits Konstellationen aus der Hinzurechnungsbesteuerung herausfallen, die bislang erfasst werden, andererseits werden nun auch bestehende Strukturen neu erfasst. Für die Bestimmung, ob ein unbeschränkt Steuerpflichtiger die ausländische Gesellschaft beherrscht, sind auch die von ihm gehaltenen mittelbaren Beteiligungen zu berücksichtigen.

Hinweis: Zudem ist zu beachten, dass der Gesetzentwurf einen „Direktzugriff“ auf „nachgeschaltete“ Zwischengesellschaften vorsieht. Die „übertragende Hinzurechnung“ gem. § 14 AStG entfällt dadurch vollständig.

Einkünfte von Zwischengesellschaften

Mit Blick auf die schädlichen „passiven“ Einkünfte enthält § 8 Abs. 1 AStG derzeit einen „Aktivkatalog“ der explizit „unschädlichen“ Einkünfte. Obwohl die ATAD-Regelungen für die „schädlichen“ Einkünfte einen sog. „Passivkatalog“ vorsehen, hält auch der Gesetzentwurf vom 24.3.2021 an dem „Aktivkatalog“ fest. Die konkreten Änderungen sind insoweit überschaubar. Die noch im ersten Referentenentwurf vom 10.12.2019 vorgesehenen Verschärfungen der Aktivitätserfordernisse beim Handel, bei Dienstleistungen und bei der Tätigkeit von Kreditinstituten waren schon im zweiten Referentenentwurf vom 24.3.2020 in Teilen nicht mehr enthalten und sind nun auch nicht in den Regierungsentwurf übernommen worden.

Der Bezug von Gewinnausschüttungen wird weiterhin grundsätzlich als aktiv angesehen. Es erfolgt hingegen eine korrelierende Begünstigung zur Systematik des § 8b KStG, so dass den Ausnahmeregelungen bzgl. des Korrespondenzprinzips, für Streubesitzbeteiligungen und für Beteiligungen im Handelsbestand nun auch in der Hinzurechnungsbesteuerung Geltung verschafft wird. 

Problematisch am ersten Entwurf des BMF war insoweit, dass nur bestimmte Ausschüttungen von der Vorschrift erfasst worden wären. Der zweite Referentenentwurf sowie der nun verabschiedete Gesetzentwurf erfassen hingegen nun alle Bezüge gem. § 8b Abs. 1 KStG, wodurch nun auch Liquidationszahlungen und Leistungen nach § 20 Abs. 1 Nr. 9 EStG in den Anwendungsbereich der Norm fallen und nicht per se passiv sind.

Substanztest

Inhaltliche Änderungen an den Vorschriften zum Substanztest hatten sich bereits im Vergleich zum ersten Entwurf des BMF nicht ergeben, weshalb im Bereich der regulären Hinzurechnungsbesteuerung weiterhin eine Beschränkung der Anwendung des Substanztests auf EU-/EWR-Gesellschaften vorgesehen ist. Nur bezogen auf Einkünfte mit Kapitalanlagecharakter ist die Ansässigkeit der ausländischen Gesellschaft irrelevant. Gerechtfertigt wird dies damit, dass die ATAD-Vorgaben ein entsprechendes Wahlrecht beinhalten und die neuen Beherrschungskriterien zudem nur die Niederlassungsfreiheit berühren würden.

Hinzurechnungsbetrag

Die Vorschriften zur Ermittlung, zum Zufluss und zur Behandlung des Hinzurechnungsbetrags wurden im Vergleich zum ersten Entwurf nur an einer Stelle ergänzt. Es wird nun klargestellt, dass der Hinzurechnungsbetrag nicht für gewerbesteuerliche Zwecke gekürzt werden kann. Somit bleibt es dabei, dass im Vergleich zur aktuellen Rechtslage zahlreiche Vorschriften erstmals auch im Bereich der Hinzurechnungsbesteuerung anzuwenden sind und die Gewinnermittlung nur noch nach § 4 Abs.1 EStG möglich sein wird. Auch die phasengleiche Erfassung des Hinzurechnungsbetrags ist im ATADUmsG weiterhin beabsichtigt.

Bei der Behandlung tatsächlicher Ausschüttungen der ausländischen (Zwischen-)Gesellschaft wird der derzeitige § 3 Nr. 41 EStG durch ein reformiertes Verfahren ersetzt („Kürzungsbetrag bei Gewinnausschüttungen“ gem. § 11 AStG-E), welches insbesondere die kritikwürdige Siebenjahresfrist des § 3 Nr. 41 EStG nicht mehr enthält.

Fazit: Das durch die Bundesregierung im ATADUmsG vorgestellte Reformkonzept zur Hinzurechnungsbesteuerung überzeugt in weiten Teilen nicht. Wesentliche Problembereiche im Zusammenhang mit der Hinzurechnungsbesteuerung werden bei einer unveränderten Umsetzung des Gesetzesvorhabens nicht gelöst. Insbesondere sind eine Senkung der Niedrigsteuerschwelle auf 15 % sowie die Implementierung einer angemessenen Bagatellregelung wünschenswert. Zudem sollte über eine Ausweitung des Anwendungsbereichs der derzeitigen Rückausnahme gem. § 8 Abs. 2 AStG auf Drittstaatengesellschaften nachgedacht werden.

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