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Besteuerung von Earn-Out-Zahlungen

Im Rahmen von M&A-Transaktionen werden häufig nachträgliche Kaufpreiszahlungen vereinbart. Mit diesen sog. Earn-Out-Zahlungen sollen entweder die Unsicherheiten und Risiken der künftigen Geschäftsentwicklung zwischen den Vertragsparteien geteilt oder dem verkaufenden Unternehmer künftige wirtschaftliche Erfolge des Unternehmens zusätzlich vergütet werden. Dass die Abgrenzung zwischen dem einen und dem anderen Aspekt nicht immer einfach ist und sich erhebliches Streitpotential vor allem im Hinblick auf die unterschiedlichen steuerlichen Folgen entfalten kann, zeigt ein aktuelles Urteil des FG Rheinland-Pfalz aus dem Jahr 2021.

Sachverhalt: Kaufpreis mit variablem Bestandteil

In dem Urteil ging es um den Verkauf einer GmbH & Co. KG. Neben einem festen Kaufpreis vereinbarten die Vertragsparteien ein zusätzliches variables Entgelt auf der Grundlage der erzielten Rohmarge der Gesellschaft bezogen auf dem Nettoumsatz in den drei dem Verkauf folgenden Geschäftsjahren.

Das Finanzamt (FA) vertrat im Anschluss an eine steuerliche Außenprüfung der betreffenden Jahre bei der Gesellschaft die Auffassung, es handele sich um eine übliche, variable Kaufpreiskomponente zur Kompensation des wirtschaftlichen Risikos aus der künftigen Geschäftsentwicklung unter Berücksichtigung der Umsatzentwicklung der Gesellschaft (d.h. an sich fester Kaufpreis abzüglich eines Risikoabschlags). Das FA erhöhte dementsprechend den dem Veräußerer zuzurechnenden Veräußerungsgewinn um die nachträglich gezahlten Earn-Out-Beträge. Statt des beantragten Veräußerungsverlusts bekam der Verkäufer dadurch einen erheblichen Veräußerungsgewinn (nachträglich) zugewiesen. 

Dagegen wandte sich der Veräußerer unter Hinweis auf die Besonderheit der vereinbarten Regelung zur Kaufpreisnachzahlung, die ausschließlich gewinn- bzw. umsatzbezogene Bestandteile beinhalte. Anders als bei den klassischen Earn-Out-Regelungen mit Zahlung einer variablen Komponente in Abhängigkeit von der Erreichung bestimmter künftiger Parameter handele es sich im vorliegenden Fall um eine Beteiligung an den künftigen Gewinnen bzw. Umsätzen des Unternehmens und 
damit um aufschiebend bedingte Kaufpreisansprüche, die rechtlich erst mit Eintritt der aufschiebenden Bedingung „realisiert“ werden und damit keine rückwirkende Anpassung des Kaufpreises begründen.

FG-Entscheidung zu umsatz- oder gewinnabhängigen Kaufpreisabreden 

Das FG Rheinland-Pfalz folgte in seinem Urteil vom 30.3.2021 (Az.: 5 K 2442/17, EFG 2021 S. 1199) der Argumentation des Steuerpflichtigen und erkannte in der fraglichen Kaufpreisregelung eine gewinn- bzw. umsatzabhängige Kaufpreisleistung, die abweichend von den allgemeinen Grundsätzen nicht im Zeitpunkt der Veräußerung (stichtagsbezogen), sondern erst mit Realisation im Zeitpunkt des Zuflusses zu ermitteln ist. 

Das FG folgte damit der bisherigen Linie des BFH, der sowohl im Bereich der Veräußerung von Unternehmen im Rahmen der §§ 16, 17 EStG (Betriebsveräußerung) als auch bei der Veräußerung von Kapitalbeteiligungen im Rahmen des § 8b KStG (vgl. zuletzt BFH vom 19.12.2018, Az.: I R 71/16) die Auffassung vertritt, dass umsatz- oder gewinnabhängige Kaufpreisabreden abweichend von dem allgemeinen Grundsatz einer stichtagsbezogenen Betrachtung erst mit dem jeweiligen Zufluss realisiert sind und auch erst dann einer Besteuerung unterworfen werden dürfen.

Das FG ließ die Revision im Hinblick auf die höchstrichterlich noch nicht abschließend geklärte Rechtslage in Bezug auf die konkrete Earn-Out-Klausel wegen grundsätzlicher Bedeutung zu. Die Revision der Finanzverwaltung ist derzeit unter dem Az.: IV R 9/21 beim BFH anhängig.

Einordnung der Rechtsprechung

Das Urteil des FG zeigt einmal mehr, wie schwierig es sein kann, das wirtschaftlich Gewollte tatsächlich zu erreichen, und wie wichtig die präzise Ausformulierung der Regelungen in jedem Einzelfall ist. Auch wenn Earn-Out-Zahlungen ein in der M&A-Praxis gängiges Gestaltungsmittel sind, kann es für die steuerlichen Konsequenzen von entscheidender Bedeutung sein, ob es sich 

  • um nachträgliche Kaufpreiszahlungen mit rückwirkender Auswirkung auf den Veräußerungspreis resp. Veräußerungsgewinn handelt oder 
  • um aufschiebend bedingte Kaufpreisforderungen mit Realisation jeweils erst im Zuflusszeitpunkt. 

Die Auswirkungen können z.T. erheblich sein, beispielsweise lägen in dem hier entschiedenen Fall – sollte der BFH die FG-Entscheidung bestätigen – keine der ermäßigten Besteuerung unterliegenden außerordentlichen Einkünfte auf den Veräußerungszeitpunkt vor, sondern laufende Einkünfte, die regulär aber in dem jeweiligen Veranlagungszeitraum zu versteuern sind. Eine Verknüpfung mit der künftigen Umsatzentwicklung oder Gewinnen ließe sich, wie die Argumentation der Finanzverwaltung im vorliegenden Fall nachdrücklich belegt, für beide Varianten erreichen: 

  • Zum einen wäre es ein Veräußerungsvorgang mit festem Kaufpreis und einem nur der Höhe nach variabel ausgestalteten Kaufpreisbestandteil. 
  • Zum anderen wäre es ein Kaufpreis und zusätzlich eine Vergütung für nachfolgend von der veräußerten Gesellschaft erzielte Umsätze bzw. Gewinne. 

Was im Einzelfall für die beteiligten Parteien die steuerlich günstigere Variante ist, müsste wiederum anhand der konkreten Umstände ermittelt werden.

Konkrete Formulierungen der Entgeltvereinbarung ausschlaggebend

Für die Beurteilung des fraglichen Sachverhalts kommt es entscheidend auf die Würdigung der konkreten Formulierungen der Vereinbarung betreffend das zusätzliche variable Entgelt an. Der Wortlaut der Regelung („Zusätzlich zum Kaufpreis… erhält… einen zusätzlichen Kaufpreis in Form eines variablen Entgelts…“) spricht zunächst einmal für die Sichtweise des FG und gegen die Auffassung der Finanzverwaltung. In der in dem Urteil wiedergegebenen Begründung der Einspruchsentscheidung differenziert die Finanzverwaltung in Ansehung der höchstrichterlichen Rechtsprechung ebenfalls zwischen

  • klassischen Earn-Out-Klauseln anhand von bestimmten Erfolgsindikatoren (vorläufiger Kaufpreis mit nachträglichen Anpassungen = rückwirkendes Ereignis) und 
  • der Vereinbarung variabler Kaufpreiszahlungen im Sinne einer Vergütung künftiger Gewinne und/oder Umsätze (= aufschiebende Bedingung). 

Danach ist im vorliegenden Streitfall vor allem die Auslegung der individuellen Klausel streitig, weniger sind es die steuerlichen Folgen.

Ausblick: Insofern ist es im Interesse der Rechtssicherheit wünschenswert, wenn sich der BFH in seiner Revisionsentscheidung zu den Indikatoren für die eine oder andere Form der Entgeltregelung äußern und nicht lediglich die streitgegenständliche Klausel würdigen würde.

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