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BFH vom 08.12.2021 (I R 30/19): Wegzugsbesteuerung selbst bei fortbestehender Steuerverstrickung der Kapitalgesellschaftsanteile

Zieht ein bisher in Deutschland beheimateter Steuerpflichtiger ins Ausland und ist daher künftig nicht mehr mit seinem Welteinkommen in Deutschland steuerpflichtig, sind im Moment dieses Wegzugs die stillen Reserven in Anteilen an einer Kapitalgesellschaft, an welcher der Steuerpflichtige zu mindestens 1 % beteiligt ist, wie bei einem Verkauf dieser Anteile der deutschen Einkommensteuer zu unterwerfen (sog. Wegzugsbesteuerung, § 6 AStG). Dasselbe gilt u. a. wenn die erwähnten Kapitalgesellschaftsanteile unentgeltlich auf eine nicht unbeschränkt steuerpflichtige Person übertragen werden. Diese Regelungen sollen gewährleisten, dass ein der deutschen Steuerhoheit zuzurechnender Wertzuwachs in Deutschland besteuert wird.

Der BFH hatte kürzlich folgenden, vereinfacht dargestellten Fall zu entscheiden: Ein in Deutschland wohnhafter Vater hatte GmbH-Anteile unentgeltlich an seinen in den USA ansässigen Sohn übertragen. Die GmbH-Anteile waren dabei auch nach der Übertragung in Deutschland steuerverhaftet, da das Vermögen der GmbH überwiegend aus deutschen Immobilien bestand.

Der BFH ist in seinem jetzt bekanntgewordenen Urteil vom 08.12.2021 zu Lasten des Steuerpflichtigen der z. T. in der Literatur vertretenen Ansicht entgegengetreten, nach welcher es im Fall einer unentgeltlichen Übertragung Voraussetzung für die Wegzugsbesteuerung sei, dass die Wertzuwächse in den GmbH-Anteilen durch die Übertragung tatsächlich mindestens teilweise der deutschen Besteuerung entzogen würden. Nach dem BFH stehen einer solchen Besteuerung auch weder verfassungsrechtliche Gesichtspunkte noch die europäische Kapitalverkehrsfreiheit entgegen. Der BFH hielt die Anwendung der Wegzugsbesteuerung im Urteilsfall deshalb für gerechtfertigt.

Empfehlung: Schenkt oder vererbt ein Steuerinländer Anteile an einer Kapitalgesellschaft, an welcher er zu mindestens 1 % beteiligt ist, an einen Steuerausländer, wird regelmäßig nicht nur die erwähnte Einkommensteuerbelastung relevant. Vielmehr darf auch die mögliche Schenkung-/Erbschaftsteuer nicht aus den Augen gelassen werden. Mit dem Ziel einer Vermeidung der Wegzugsbesteuerung können allerdings vorbereitende Handlungen etwa im Wege des Wohnsitzmanagements oder der Umwandlung der Kapitalgesellschaft in eine Personengesellschaft in Erwägung gezogen werden. Für Beteiligungen an Kapitalgesellschaften von weniger als 1 % verbleibt es in entsprechenden Situationen auch zukünftig bei der Ertragssteuerfreiheit.

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