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Die globale Mindeststeuer

Bundestagswahl 2021 – Steuerpläne im Fokus

Nach Jahren stockender Verhandlungen haben sich, nach den G7-Staaten, Anfang Juli 2021 nun auch 131 Länder unter dem Dach der OECD hinter eine historische Steuereinigung gestellt. Im Wesentlichen geht es bei dieser epochalen Steuerreform um die Sicherung von Steuereinnahmen und um die Begrenzung von Gewinnverlagerungen multinationaler Konzerne. Gegenwärtig herrscht eine gewaltige Dynamik, insbesondere auf Ebene von Digitalkonzernen, was die Sorge vieler Staaten vor sinkenden Steuereinnahmen verstärkt.

Weshalb gibt es die Notwendigkeit einer globalen Mindeststeuer?

Die bevorstehende Reform stellt eine Revolution der Internationalen Besteuerung von Unternehmen dar und ersetzt damit ein System, das als nicht mehr zeitgemäß gilt. Insbesondere Finanzminister Scholz verspricht sich eine massive Verbesserung der globalen Steuerpolitik. In den vergangenen Jahrzehnten herrschte ein regelrechtes Wettrennen um die Ansiedlung großer Firmen. Viele Staaten senkten mehr und mehr ihre Unternehmenssteuern, um so lokale Anreize für die Ansiedlung von Unternehmen zu schaffen. So sind global agierende Konzerne, insbesondere Digitalunternehmen wie Google, Amazon oder Facebook, in der Lage, ihre Steuerbelastung durch Ansiedlung in Niedrigsteuerländern zu minimieren, umso Milliarden zu sparen. Staaten mit reellen Steuersätzen gehen dagegen Einnahmen in Milliardenhöhe verloren.

Statt Vorteilen habe dies, so US-Finanzministerin Janet Yellen, den Ländern jedoch Ressourcen genommen. Jene Ressourcen die für Infrastruktur und Bürger, also insbesondere in Schulen oder Krankenhäuser hätten fließen können.

Wie soll eine Änderung erfolgen?

Geplant sind zwei konkrete Neuerungen. Der erste Teil der Reform umfasst die Zuordnung von Besteuerungsrechten. Insbesondere die rasant wachsenden digitalen Geschäftsmodelle führten zu der Überlegung, sich bei der Besteuerung an der Marktpartizipation erfolgreicher Großunternehmen zu orientieren und diese dort zu besteuern, wo der Konzernumsatz erwirtschaftet wird. Unter anderem betrifft dies jene Digitalkonzerne, die hohe Gewinnmargen in Staaten erzielen, in denen keine Niederlassung besteht. Damit werden (Digital-)Konzerne künftig auch dort Steuern abführen, wo der Endkundenumsatz erfolgt. Dies war bislang nicht der Fall. So soll künftig der Anteil des Gewinns einer Unternehmensgruppe oder Geschäftssparte den Staaten mittels einer noch zu ermittelnden Formel zugeteilt werden. Bis Oktober 2021 sollen offene Fragen geklärt werden, sodass die Zustimmung der Regierungschefs der G20-Staaten erfolgen kann.

Der zweite Teil der Reform umfasst den Vorschlag, den die G20-Finanzminister*innen Anfang Juli 2021 beschlossen haben. Dieser sieht eine Art weltweite Steuer-Untergrenze vor. Alle international tätigen Unternehmen sollen - egal wo deren Sitz liegt – mit mindestens 15% besteuert werden. Hierbei wird jedoch keinem einzelnen Staat ein Steuersatz vorgeschrieben. Wenn nun beispielsweise ein Konzern mit einer seiner Tochtergesellschaften im Ausland weniger Steuern zahlt, kann das Heimatland des Unternehmens die Differenz zur Mindeststeuer verlangen. Im Ergebnis würde es sich also nicht mehr rechnen, Gewinne in Niedrigsteuerländer zu verlagern und somit den stattfindenden Unterbietungswettbewerb („race to the bottom“) beenden.

Es ist jedoch aktuell weiter unklar, ob die EU diese Regelung final trägt. Drei Mitgliedstaaten (Irland, Estland und Ungarn) sind unter den sieben Kritikern der Regelung. Für eine EU-weite Einführung ist deren Zustimmung jedoch zwingend erforderlich.

Welche Unternehmen wären betroffen?

Die Einigung zum ersten Teil der Reform lautet, dass Besteuerungsrechte bei jenen Unternehmen neu geordnet werden sollen, die mindestens 20 Milliarden Euro Umsatz und eine Profitabilitässchwelle („Marge“) von mehr als 10% haben. Dies betrifft in Deutschland weniger als zehn Konzerne, weltweit sind es etwas mehr als 100. Die bekanntesten sind Amazon, Apple, Google, Facebook und Microsoft.

Die globale Mindeststeuer hat eine noch größere fiskalische Tragweite. Erfasst werden nach aktuellen Informationen multinationale Konzerne mit mehr als 750 Millionen Euro Umsatz im Jahr – egal ob Möbelkonzern, Großbank oder digitaler Dienstleister.

Würde Deutschland von der globalen Mindestbesteuerung profitieren?

Die Antwort ist ja. Experten gehen davon aus, dass die Reform auch hier zu Lande Milliarden an zusätzlichen Steuereinnahmen mit sich bringt. Nach Einschätzung der OECD wird allein mit der erfolgten Festlegung des Steuersatzes auf mindestens 15% weltweit mit erheblichen Steuermehreinnahmen von bis zu 150 Milliarden US-Dollar jährlich gerechnet (vgl. Pressemitteilung der OECD vom 1. Juli 2021).

Die Experten des Deutschen Institutes für Wirtschaftsforschung prognostizieren, dass das Abkommen insbesondere den Mittelstand gegenüber einem unfairen Wettbewerb multinationaler Konzerne schützen soll. Dies soll somit auch zur Sicherung von Arbeitsplätzen in Deutschland führen. 

Die Reform ist nach meiner Meinung sehr zu begrüßen. Ob sie jedoch hält was sie verspricht bleibt abzuwarten.

Fraglich bleibt, ob die geplante Neuverteilung von Besteuerungsrechten tatsächlich wesentliche und nennenswerte Einnahmen generieren wird, insbesondere im Hinblick auf die geringe Anzahl der betroffenen Unternehmen. Die Prüfung von Gewinnaufteilungen sowie die damit einhergehende internationale Koordination von Besteuerungsrechten wird darüber hinaus einen massiven Verwaltungsaufwand mit sich führen.

Eine weitere nicht zu unterschätzende Hürde wird es sein, sich zu einigen, wie der Vorsteuergewinn hinsichtlich der Mindestbesteuerung von 15% ermittelt wird. Alle bisherigen Pläne für einheitliche Vorschriften zur steuerlichen Gewinnermittlung sind EU-weit gescheitert.

Darüber hinaus können Instrumente wie Subventionen oder steuerliche Anreize wie beispielsweise die Förderung von Forschung und Entwicklung zur Verzerrung nationaler Steuerquoten der Länder führen. Diese Verzerrung könnte insoweit eine Nachversteuerung mit sich bringen. Geschaffene politische Anreize zu Investitionen könnten somit ins Leere laufen. Die Aussicht auf Erfolg der Reform geht damit einher, ob global ein einheitliches Ziel der Länder verfolgt wird. Sollte es dazu kommen, dass einzelne Staaten das Mindeststeuerniveau nicht beachten oder potentielle Mehrsteuerbelastungen der Unternehmen durch anderweitige Subventionen kompensieren, kann dies zu weiteren Sitzverlegungen führen.

Es bleibt insoweit abzuwarten, wie die Zustimmung der Mitgliedstaaten erfolgen wird. Die im September neu zu wählende Regierung wird sich mit einigen Fragen konfrontiert sehen, welche es im Sinne eines modernen Steuersystems im Rahmen der internationalen Besteuerung zu lösen gilt. Mit Ausnahme der AfD, welche eine Steuererhebung in alleiniger nationaler Kompetenz der EU-Mitgliedstaaten sieht, stehen alle Parteien, wenn in Teilen auch mit verschiedenen Ansätzen innerhalb ihres Wahlprogramms, für eine Unterstützung der EU-weiten Regelungen. Die Implementierung der Regelungen soll ab 2023 umgesetzt werden.

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