Zum Inhalt springen

Sie sind hier:

Erleichterungen zur Anwendung des Vergaberechts – ausgenommen Baubereich – durch EU-Kommission bestätigt

In unserem Blogbeitrag vom 24.03.2020 berichteten wir, dass das BMWi¹ mit Rundschreiben vom 19.03.2020 Erleichterungen zur Anwendung des Vergaberechts im Zusammenhang mit der Beschaffung von Lieferungen und Leistungen zur Eindämmung der Ausbreitung des neuartigen Corona-Virus SARS-CoV-2 veröffentlicht hat.

Am 01.04.2020 hat die EU-Kommission nun in einer Mitteilung „Leitlinien zur Nutzung des Rahmens für die Vergabe öffentlicher Aufträge in der durch die COVID-19-Krise verursachten Notsituation“ veröffentlicht. Hierdurch wird der Inhalt des o. g. Rundschreibens des BMWI im Wesentlichen bestätigt und in gewisser Weise ergänzt.

Die Kommission weist in ihrer Mitteilung insbesondere darauf hin, dass der europäische Rahmen für das öffentliche Auftragswesen öffentlichen Auftraggebern die nötige Flexibilität bietet, um Waren und Dienstleistungen, die unmittelbar mit der COVID-19-Krise zusammenhängen, so schnell wie möglich, bei Bedarf sogar innerhalb von Tagen oder Stunden, zu beschaffen.

Verhandlungsverfahren ohne Veröffentlichung

So können öffentliche Auftraggeber im Rahmen eines Verhandlungsverfahrens ohne Veröffentlichung, d. h. ohne Teilnahmewettbewerb, nach Artikel 32 der Richtlinie 2014/24/EU direkt mit potenziellen Auftragnehmern verhandeln, und es bestehen keine Anforderungen hinsichtlich der Veröffentlichung, der Fristen oder der Mindestanzahl der zu konsultierenden Bewerber oder sonstige verfahrenstechnische Anforderungen. Öffentliche Auftraggeber können dabei auch in Erwägung ziehen, mit potenziellen Auftragnehmern innerhalb und außerhalb der EU per Telefon, E-Mail oder persönlich Kontakt aufzunehmen.

In der Praxis bedeutet dies, dass die Behörden so schnell handeln können, wie es technisch/physisch möglich ist, und dass das Verfahren de facto eine Direktvergabe darstellt, die lediglich den physischen/technischen Zwängen im Zusammenhang mit der tatsächlichen Verfügbarkeit und Schnelligkeit der Lieferung unterworfen ist.

Erleichterungen für schnelle Vergaben von Planungs- und Bauleistungen

Die Kommissions-Mitteilung bezieht sich allerdings nur auf Liefer- und Dienstleistungsaufträge. Sie berücksichtigt damit noch nicht, dass das für den Baubereich zuständige Bundesinnenministerium (BMI) mit Schreiben vom 27.03.2020 an das Bundesamt für Bauwesen und Raumordnung und an die Fachaufsicht führenden Ebenen in den Ländern den Inhalt des BMWi-Schreibens vom 19.03.2020 analog auch für die Bauvergaben für anwendbar erklärt hat. Beide Schreiben stellen weitgehend die aktuelle nationale Rechtslage dar und sind daher auch für Kommunen zu beachten.

Auch bei der Vergabe von Planungs- sowie von Bauleistungen, wie der kurzfristig nötigen Errichtung von Notunterkünften oder dem Umbau von Messehallen für Patienten, sind die Voraussetzungen für äußerst dringliche Beschaffungen gegeben. Insoweit zählt das BMI in seinem o. g. Schreiben weiter folgende in Betracht kommende Baumaßnahmen auf:

  • Kurzfristige Schaffung zusätzlicher Kapazitäten im Krankenhausbereich,
  • Umbauten und Ausstattung zur Erhöhung der Anzahl von Videokonferenzräumen,
  • Einbau von Trennwänden zur Separierung mehrfach belegter Büros.

Die Aufzählung ist ausdrücklich nicht abschließend, entscheidend ist jedoch, dass die Bauaufträge der Eindämmung der Pandemie dienen müssen. Dann können auch für den Baubereich Angebote im Rahmen eines Verhandlungsverfahrens ohne Teilnahmewettbewerb formlos und ohne die Beachtung konkreter Fristvorgaben bzw. mit Fristen von bis zu 0 Tagen eingeholt werden. Diesbezüglich besteht mithin Deckungsgleichheit mit der Auffassung der Europäischen Kommission, auch ohne, dass dieser Bereich ausdrücklich in der o. g. Mitteilung genannt wird.

Verstärkte Konzentration auf eVergabe

Das BMI-Schreiben vom 27.03.2020 weist aber noch auf ein durch nationale Vergaberegelungen, z. B. die VOB/A, zum Verfahrensablauf begründetes Problemfeld hin, für das jedoch ggf. durch eine stärkere Konzentration auf die elektronische Durchführung von Vergabeverfahren Abhilfe geschaffen kann. Es handelt sich um die Durchführung von Submissionen oder Angebotsöffnungen vor Ort beim öffentlichen Auftraggeber, die wegen Zugangsbeschränkungen zu den Dienstgebäuden oder Kontaktverboten nicht stattfinden können.

Dann ist zunächst zu prüfen, ob das Ausschreibungsverfahren ausschließlich elektronisch, also über die e-Vergabe-Plattform, abgewickelt werden kann. Ist elektronische Vergabe nicht möglich, sind die Bieter über den Entfall des Eröffnungstermins zu informieren. In diesem Fall ist ein Öffnungstermin entsprechend § 14 VOB/A durchzuführen, bei schriftlichen Angeboten ist zu prüfen, ob der Verschluss unversehrt ist. In Ausschreibungsverfahren sind den Bietern die Angaben gemäß § 14 Abs. 3 lit. a) bis d) VOB/A (Name und Anschrift der Bieter, Endbeträge der Angebote oder einzelner Lose, Preisnachlässe ohne Bedingungen, Anzahl der jeweiligen Nebenangebote) unverzüglich im vereinbarten Kommunikationsweg zur Verfügung zu stellen. Sofern sie anderweitig diese Informationen erhalten, werden Unternehmen auf die - ohnehin freiwillige - Teilnahme am Submissionstermin von sich aus oder auf Bitten der Kommune verzichten.

Hinweis: Für die Zukunft sollten Kommunen selbst diese „Probleme“ dadurch vermeiden, dass sie – wie im Bereich der Unterschwellenvergabeordnung (UVgO) ja geregelt – rein digitale Vergaben durchführen. Ein Submissionstermin mit Sicherheitsabstand und Schranke zum Bieter ist zwar im Einzelfall möglich, aber sicher die schlechtere Lösung. Auch bei der nach den §§ 14 Abs. 1 Satz 1 VOB/A, 40 Abs. 2 UVgO vorgegebenen Beteiligung von „mindestens zwei Vertretern des Auftraggebers gemeinsam an einem Termin“ bei der Öffnung der Angebote sollten Kommunen digitale Möglichkeiten nutzen bzw. nötige Sicherheitsvorkehrungen einhalten.

¹ Bundesministerium für Wirtschaft und Energie

 

Weitere Informationen finden Sie hier:

Corona-Krise – Erste Hilfe von PKF

Zurück zur Übersicht
Zurück zum Seitenanfang