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Eurobonds als Unterstützungsmaßnahme für finanzschwache Länder in der Eurozone geeignet?

Aktuell wird die Einführung sog. Eurobonds stark diskutiert (teilweise unter dem Begriff „Coronabonds“). Eurobonds wurden bislang nicht aufgelegt, sondern bestehen derzeit nur als Lösungsvorschlag. Außerdem ist die Ausgestaltung aufgrund zahlreicher politischer, volkswirtschaftlicher und auch rechtlicher Streitfragen weiterhin offen.

Finanzierung von Staatsausgaben durch Staatsanleihen

Zur Finanzierung ihrer Staatshaushalte geben Länder regelmäßig Staatsanleihen aus. Sie verschaffen sich damit langfristig Liquidität und vergüten den Käufer dieser Anleihen mit einem festgelegten Zins. Der Zins ist dabei vor allem von der Bonität des jeweiligen Landes abhängig. Länder mit einer hohen Staatsverschuldung müssen einen höheren Zins zahlen als Länder mit einer geringeren Staatsverschuldung. Länder mit einer hohen Staatsverschuldung und einem hohen Ausfallrisiko stehen vor der Herausforderung, dass sie sich nur gegen Zahlung hoher Zinsen neues Kapital am Markt beschaffen können. Die hohe Zinsverpflichtung belastet den Haushalt dann zusätzlich. Während sich Deutschland derzeit quasi zinsfrei Kapital beschaffen kann, müssen Länder wie Italien deutlich höhere Zinsen garantieren.

Das Konzept der Eurobonds

Mit Eurobonds soll dieser Herausforderung begegnet und das bestehende Ungleichgewicht zwischen verschiedenen EU-Mitgliedstaaten ausgeglichen werden. Anstelle der Ausgabe einer Staatsanleihe durch ein einzelnes Land gibt die EU gemeinschaftlich eine Anleihe aus. In die Bonitätsbeurteilung würden dann sowohl die stark als auch die weniger stark verschuldeten Länder einfließen. Daraus ergäbe sich ein mittlerer Zinssatz, der die stark verschuldeten Länder entlastet. Es kommt zur Vergemeinschaftung von Schulden, weil die Gläubiger auf die gute Bonität der geringer verschuldeten Länder vertrauen.

Hinweis: Der Begriff Eurobonds wird auch für Euromarkt-Anleihen verwendet, bei denen ein Unternehmen Anleihen in mehreren Ländern anbietet. Diese Art von Eurobonds soll hier nicht betrachtet werden.

Der Europäische Stabilitätsmechanismus als Alternative

Der Europäische Stabilitätsmechanismus (ESM), der zur Bewältigung der Euro-Schuldenkrise 2008/2009 eingeführt wurde, hat die Europäische Finanzstabilisierungsfazilität (EFSF) abgelöst. Um die Zahlungsfähigkeit überschuldeter Staaten der Eurozone zu sichern, gibt der ESM Kredite oder Bürgschaften aus. Diese Maßnahmen sind jeweils an wirtschaftspolitische Reformbedingungen der Empfängerstaaten geknüpft und werden durch den ESM überwacht. Der ESM verfügt über ein Stammkapital von mehr als 700 Mrd. €, wovon nach den Hilfsmaßnahmen für Länder wie Griechenland, Portugal und Irland seit der Gründung noch etwa 410 Mrd. € zur Verfügung stehen. Deutschland finanziert etwa 27% des ESM-Volumens.

Abwägung der Vorteile …

Für Eurobonds spricht vor allem die Möglichkeit der Schuldenfinanzierung zu darstellbaren Zinsverpflichtungen dank der Bonitätsteilung finanzstarker Mitgliedstaaten. Eurobonds könnten grundsätzlich ein Mittel sein, um Eurostaaten mit geringer Bonität zu einer finanzierbaren Liquidität zu verhelfen und so den Staatsbankrott einzelner Mitgliedstaaten zu vermeiden. Die Auswirkungen des Staatsbankrotts einer großen europäischen Wirtschaftsnation und die Folgen für die anderen Mitgliedstaaten sind nicht absehbar und sollten deshalb vermieden werden. Als Ergänzung zu dem teilweise verbrauchten Volumen des ESM könnten Eurobonds mit bis zu einem Emissionsvolumen von einer Billion € einen großen finanziellen Beitrag leisten.

… mit den Nachteilen der Eurobonds

(1) Während der ESM seine Hilfsmaßnahmen an wirtschaftspolitische Reformbedingungen knüpft, müssen finanzschwache Länder bei Eurobonds keine Verpflichtung zur Verbesserung der Haushaltssituation eingehen.

(2) Finanzstarke Länder – u.a. auch Deutschland – sehen Eurobonds auch deshalb kritisch, weil die Funktionsweise auf ihrer guten Bonität aufbaut und die Gläubiger auf ihre Stärke im Haftungsverbund beim Ausfall eines oder mehrerer Staaten vertrauen.

(3) Rechtlich spricht vor allem die im Vertrag von Lissabon (Art. 125 AEUV) festgeschriebene „No-Bailout-Klausel“ dagegen. Danach ist eine Haftung der EU für die Verbindlichkeiten einzelner Mitgliedstaaten ausgeschlossen.

Fazit: Aufgrund der Tatsache, dass die rechtliche und organisatorische Ausgestaltung noch nicht einmal grundlegend verhandelt bzw. konzipiert ist, dürfte eine kurzfristige Ausgabe von Eurobonds unwahrscheinlich sein. Letztlich wird die Beschlussfassung über die Einführung von Eurobonds eine politische Entscheidung sein und stark vom Ausmaß der Staatsverschuldung einzelner Länder und der Geschwindigkeit der wirtschaftlichen Rehabilitation abhängen.

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