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Kindergeldanspruch: Streitfälle nach der Erstausbildung

Der Anspruch auf Kindergeld besteht auch nach Vollendung des 18. Lebensjahres des Kindes bis mindestens zum Abschluss der Erstausbildung. Ob der Anspruch danach weiterhin geltend gemacht werden kann, hängt von verschiedenen Faktoren ab und ist oftmals strittig. Auf der Basis von zwei Gerichtsentscheidungen werden nachfolgend wichtige Parameter dargestellt.

Erstausbildung in Abgrenzung zur Zweitausbildung 

Im Rahmen einer Erstausbildung kann für ein Kind bis zur Vollendung des 25. Lebensjahres Kindergeld bezogen werden. Bei einer Erstausbildung muss es sich um einen öffentlich-rechtlich geordneten Ausbildungsgang handeln, mit dem ein Abschluss durch eine Prüfung erworben wird. Wenn beispielsweise auf ein Bachelor- noch ein Masterstudium folgt, spricht man von einer einheitlichen Erstausbildung (FG Münster, Urteil vom 22.1.2019, Az.: 12 K 3654/17 Kg). Diese ist auch bei einer daneben ausgeübten Erwerbstätigkeit von einer berufsbegleitend durchgeführten Weiterbildung (Zweitausbildung) abzugrenzen.

Aktuell entschiedene Studiums-gebundene Sachverhalte

Weiterbildung zur Fachärztin

Das FG Niedersachsen hatte im Urteil vom 17.11.2021 (Az.: 9 K 114/21) darüber zu entscheiden, ob für eine Studentin mit einem abgeschlossenen Medizinstudium während ihrer Weiterbildung zur Kinderärztin noch Kindergeld bezogen werden kann. In diesem Fall hatte die Tochter der Klägerin zum 1.1.2021 nach Abschluss ihres Medizinstudiums eine Weiterbildung zur Kinderärztin begonnen. Mit Bescheid vom 11.3.2021 wurde ab April 2021 die Festsetzung des Kindergeldes aufgehoben, da die Tochter laut den vorliegenden Unterlagen die Hochschulausbildung im März 2021 beendet hatte.

Die Klage war nicht erfolgreich. Zwar ist ein enger zeitlicher und sachlicher Zusammenhang zwischen dem Medizinstudium und der Facharztausbildung zur Kinderärztin gegeben, nach Ansicht des FG tritt die Ausbildung im Rahmen der Facharztweiterbildung jedoch hinter die Berufstätigkeit des Kindes zurück. Die Tochter hat ihre Facharztweiterbildung mit einer wöchentlichen Arbeitszeit von 42 Stunden für eine Dauer von 60 Monaten aufgenommen, sich somit langfristig an einen Arbeitgeber gebunden. Die Vergütung für die Tätigkeit als Ärztin in Weiterbildung erhält sie vor allem für die von ihr erbrachte Arbeitsleistung – und nicht für die Teilnahme an der Berufsausbildungsmaßnahme.

Verklammerung Erst- und Zweitstudium  

Mit Urteil vom 7.4.2022 (Az.: III R 22/21) hat sich der BFH zu den Voraussetzungen für eine mögliche Verklammerung von Erst- und Zweitstudium zu einer einheitlichen Erstausbildung geäußert. Grundsätzlich können volljährige Kinder, die bereits eine erstmalige Berufsausbildung oder ein Erststudium abgeschlossen haben, während einer anschließenden Zweitausbildung nur noch dann einen Kindergeldanspruch begründen, wenn sie keiner Erwerbstätigkeit von mehr als 20 Wochenstunden nachgehen. 

Danach besteht kein Kindergeldanspruch mehr, wenn ein Kind nach einem dualen Studium zum Diplom-Finanzwirt mit mehr als 20 Wochenstunden beim Finanzamt arbeitet und währenddessen berufsbegleitend einem Studium der Rechtswissenschaften nachgeht. Zwar bestehe ein enger zeitlicher und sachlicher Zusammenhang zwischen den beiden Ausbildungsgängen, da das Studium unmittelbar nach Beendigung des dualen Studiums aufgenommen wurde und eine inhaltliche Nähe des dualen Studiums zu dem der Rechtswissenschaften vorliegt. Jedoch sei weitere Voraussetzung für eine Verklammerung zu einer einheitlichen Erstausbildung, dass das Ausbildungselement im zweiten Ausbildungsabschnitt die Haupttätigkeit des Kindes bildet und nicht hinter die Erwerbstätigkeit zurücktritt. Diese Voraussetzung schien zunächst erfüllt, weil die Studentin gleichhohe Zeitanteile in Ausbildung und Erwerbstätigkeit investiert hatte und sich die Ausbildungszeiten nach den arbeitsfreien Zeiten richteten. Im Ergebnis wurde dennoch der Kindergeldanspruch aberkannt, weil die absolute 20-Stunden-Grenze überschritten wurde.

Fazit

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass insbesondere bei erwerbstätigen Kindern der Kindergeldanspruch strittig sein kann. Während bei einem Zweitstudium eine Erwerbstätigkeitsprüfung durchgeführt werden muss, ist der Umfang der Erwerbstätigkeit hingegen dann irrelevant, wenn sämtliche Ausbildungsgänge noch zu einer einheitlichen erstmaligen Berufsausbildung gehören. In diesem Fall zahlt die Familienkasse das Kindergeld ungeachtet der Wochenstundenanzahl fort. 

Empfehlung: Generell muss zunächst differenziert werden, ob es sich um eine einheitliche Erstausbildung handelt. Dabei ist darauf zu achten, dass ein enger zeitlicher und sachlicher Zusammenhang zwischen den Ausbildungen besteht. Außerdem muss die Weiterbildungsmaßnahme die Haupttätigkeit des Kindes sein, während die Erwerbstätigkeit nur eine Nebentätigkeit darstellen darf. 

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