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Umgang mit weitergeleiteten Strommengen auf der Letztverbraucherseite

Aktuell rücken an Dritte weitergeleitete Strommengen von energieintensiven Unternehmen verstärkt in den Betrachtungsfokus. Relevant sind diese Mengen beispielsweise bei der Bemessung der reduzierten KWK-Umlage, der Stromsteuerentlastung und bei der Begrenzung der EEG-Umlage im Rahmen der besonderen Ausgleichsregelung.

Vom rechtlichen Hintergrund her sollen Begünstigungen in den vorgenannten Bereichen nur noch für solche Strommengen gewährt werden, die das Unternehmen selbst verbraucht hat (Letztverbraucher). In der Praxis ist die Identifizierung und rechtliche Abgrenzung von Weiterleitungssachverhalten jedoch anspruchsvoll, ebenso wie die korrekte und vollständige messtechnische Erfassung der Mengen.

Identifizierung der Weiterleitungsfälle in der Praxis - Eine Herausforderung

Energieintensive Unternehmen, die von den Begünstigungen bei der KWK-Umlage profitieren wollen, müssen seit 2016 dem zuständigen Netzbetreiber bis zum 31. März des Folgejahres abnahmestellenbezogen die selbst verbrauchten Strommengen mitteilen. Für die Meldung haben viele Netzbetreiber individuelle Formulare entwickelt. Diese sehen häufig eine rechtsverbindliche Erklärung des Letztverbrauchers vor, dass er die Strommengen ausschließlich selbst verbraucht hat. Andernfalls hat er die weitergeleiteten Mengen anzugeben. In der Praxis stellt sich häufig die Frage, ob der Letztverbraucher tatsächlich alle vorhandenen Weiterleitungssachverhalte kennt. Die Konstellationen sind hier durchaus vielschichtig und reichen von der Stromlieferung an die konzernzugehörige Kantinenbetriebsgesellschaft, über den Strom für auf dem Werksgelände eingesetzte Werkunternehmer oder den dort stehenden Getränkeautomaten, bis hin zu den „warm“ vermieteten Büroflächen oder Betriebswohnungen. Die rechtliche Einordnung als Weiterleitung ist dabei häufig schwierig und differiert zudem zwischen den Rechtsgebieten (EEG-Eigenversorgung, EEG-besondere Ausgleichsregelung, Kraft-Wärme-Kopplungsgesetz (KWKG), Stromsteuergesetz (StromStG)). So darf z. B. die von Fremden betriebene Kantine aufgrund der Vereinfachung im Merkblatt des Bundesamtes für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA) bei der besonderen Ausgleichregelung des Erneuerbare-Energien-Gesetzes (EEG) als selbst genutzter Strom angesetzt werden, während der in einer von Fremden betriebenen Kantine verbrauchte Strom im Leitfaden zur Eigenversorgung (EEG) als weitergeleiteter Strom gilt. Auch im KWKG gilt der an eine von Fremden betriebene Kantine weitergeleitete Strom als nicht selbst verbraucht. Angesichts dieser komplexen und auch von Widersprüchen geprägten Rechtslage sucht man praktische Hilfestellungen - z. B. zur rechtlich bedeutsamen Frage, wer die tatsächliche Sachherrschaft einer Verbrauchsanlage innehat - vergebens. Die ergangene Rechtsprechung betrifft jeweils nur ein einzelnes Rechtsgebiet und ist nicht oder nur eingeschränkt auf die anderen Rechtsgebiete übertragbar.

Ungemessene Weiterleitungen oder ungeeichte Messungen - ein K.O.-Kriterium?

Immer wieder Gegenstand kontroverser Diskussionen ist die Frage, ob weitergeleitete Strommengen zwingend gemessen werden müssen bzw. ob die Messung geeicht sein muss. Während in der Praxis der Stromsteuerentlastungen von den Hauptzollämtern auch sachgerechte Schätzungen von Weiterleitungsmengen erlaubt sind, fordert das für die EEG-Umlagenbegrenzung zuständige BAFA grundsätzlich geeichte Messungen. Und daher - es wäre ja sonst zu einfach - ist die Sichtweise der Netzbetreiber bei der KWK-Umlagenreduzierung noch heterogener. Einige Netzbetreiber sind hier vergleichsweise „großzügig“ und akzeptieren die Angaben der Letztverbraucher ungeprüft. Hingegen fordern andere - mit Verweis auf eine Auslegung des Bundesverbandes der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW) - die lückenlose geeichte Messung für sämtliche weitergeleitete Mengen. Nach unseren Erfahrungen kann bei strittigen Fällen zwischen Netzbetreiber und Letztverbrauchern eine unabhängige Prüfung und Bestätigung der weitergeleiteten Mengen durch einen Wirtschaftsprüfer weiterhelfen. Einige Netzbetreiber gehen sogar noch einen Schritt weiter und verweigern die Umlagenbegünstigung auch auf selbst verbrauchte Mengen sobald bereits geringe Weiterleitungsmengen nicht geeicht gemessen wurden. Ob diese - in der Branche recht radikale - Rechtsauffassung bestand hat, bleibt abzuwarten.

Stromsteuerentlastung: Vorsicht bei Nichtangabe von weitergeleiteten Mengen

Besonders streng, mit Blick auf die vollständige Angabe von weitergeleiteten Mengen, ist nach den Erfahrungen vieler unserer Mandanten die Außenprüfung des Hauptzollamtes im Nachgang zu den Stromsteuerentlastungsanträgen. Hier verschaffen sich die Prüfer in der Regel einen Überblick vor Ort, häufig nehmen sie auch Einsicht in Verträge. Werden dabei nicht erklärte Weiterleitungssachverhalte identifiziert und steht damit der Verdacht einer zu Unrecht gewährten Stromsteuerentlastung im Raum, folgt häufig die Einleitung eines Steuerordnungswidrigkeiten-Verfahrens. Hier gilt es dann, Argumente für eine Behandlung als selbst verbrauchte Strommenge zu sammeln und zu würdigen. Kann der Zweifel des Hauptzollamtes nicht ausgeräumt werden, hilft in der Regel nur eine anwaltliche Begleitung mit dem Ziel, dem persönlichen Regress von handelnden Personen (das ist regelmäßig die Geschäftsführung) und dem mitunter empfindlichen Bußgeld zu entgehen.

Rettung in Sicht?

Eine kurzfristige gesetzliche Klärung der hier dargestellten Problemfelder rund um die Weiterleitung von Strommengen ist aus heutiger Sicht eher nicht zu erwarten. Vielmehr wird sich die Praxis weiterhin mit unbefriedigenden Einzelfalllösungen arrangieren müssen. Angesichts der im Detail komplexen Materie, bestehenden Widersprüche bei der Rechtsauslegung und der häufig hohen Entlastungsbeträge bzw. Vorteile, die auf dem Spiel stehen, empfiehlt es sich unternehmensseitig das Thema aktiv anzugehen. Eine Beraterunterstützung, gleich ob als punktueller steuerlicher oder energierechtlicher Sparring oder eine umfassende Beratung bis hin zur aktiven Gestaltung (z. B. die bewusste Umgestaltung von Weiterleitungen in Selbstverbrauch auf vertraglicher Basis), kann hier hilfreich sein.

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