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Verlängerung der "virtuellen Beschlussfassung" bis Ende August 2022

Am 07.09.2021 hat der Bundestag das sog. COVMG (Gesetz über Maßnahmen im Gesellschafts-, Genossenschafts-, Vereins-, Stiftungs- und Wohnungseigentumsrecht zur Bekämpfung der Auswirkungen der COVID-19-Pandemie vom 27. März 2020) erneuert und diesmal bis zum 31.08.2022 verlängert. Das bedeutet: Für die AG (ebenso KGAA, ggf. auch SE) besteht auch in der nächsten Saison 2022 noch die Möglichkeit, ihre Hauptversammlung (HV) online „im Internet“ abzuhalten.

Allerdings ist diesmal eine sorgfältige Abwägung geboten: Der Bundestag hat in der Begründung zum Ausdruck gebracht, dass von der Erleichterung nur dann Gebrauch gemacht werden sollte, wenn dies unter Berücksichtigung des konkreten Pandemiegeschehens und im Hinblick auf die Teilnehmerzahl der jeweiligen Versammlung erforderlich erscheint. Es ist also möglich, dass eine „willkürliche“ Entscheidung für die virtuelle Hauptversammlung deren Anfechtbarkeit begründet. Der gesetzliche Anfechtungsausschluss (§ 1 Abs. 7 COVMG) gilt für Fehler bei der Abstimmung innerhalb der virtuellen HV, nicht für eine fehlerhafte Entscheidung zugunsten der virtuellen HV als solche.

Andererseits: Ein schleppender Impfverlauf und die unklare Entwicklung der Inzidenzen können die pflichtgemäße Entscheidung von Vorstand und Aufsichtsrat zur virtuellen Abhaltung der Hauptversammlung geradezu nahelegen. Dies umso mehr, als in Abhängigkeit zur Größe des Aktionärskreises die Beschaffung von Örtlichkeit und Technik erheblichen zeitlichen Vorlauf erfordern mag. Es ist dann also die Entscheidung auf der Grundlage einer Prognose zu treffen. Damit dürfte im Grundsatz die Entscheidung für die Abhaltung der virtuellen Hauptversammlung bis sehr weit ins nächste Jahr hinein zu rechtfertigen sein.

In dieser „Gemengelage“ zwei Tipps:

Wenn die Entscheidung zugunsten der virtuellen Hauptversammlung getroffen wird, sollten Vorstand und Aufsichtsrat in ihrem Beschluss die Gründe für ihre Überzeugung deutlich und detailliert darstellen, warum die Abhaltung einer Präsenzveranstaltung nicht angemessen wäre.

Ferner: Sofern noch nicht geschehen sollte die Satzung die Möglichkeit der Teilnahme und Stimmabgabe an der Hauptversammlung im Wege der elektronischen Kommunikation eröffnen (§ 118 Abs. 2 S. 2 AktG). Dies kann auch in der „letzten“ Online-Hauptversammlung beschlossen werden, die entsprechend den Erleichterungen der COVMG-Regeln abgehalten wird und damit für die Zukunft das Prozedere deutlich vereinfachen.

Übrigens: Ebenfalls verlängert bis zum 31.08.2022 wird die optionale Beschlussfassung in der GmbH durch schriftliche Stimmabgabe oder per E-Mail auch für den Fall, dass nicht alle Gesellschafter mit diesem Verfahren einverstanden sind. Wenn sich die Geschäftsführung für diese - nicht konsensuale - Form der Beschlussfassung entscheidet, besteht die beschriebene Notwendigkeit der Rechtfertigung mit dem Pandemiegeschehen ebenso. Und ebenso sorgfältig sollte die Geschäftsführung begründen, warum genau der Beschluss entgegen § 48 Abs. 2 GmbHG ohne Einverständnis sämtlicher Gesellschafter in Schrift- oder Textform zu fassen ist. Anders ist es natürlich, wenn der Gesellschaftsvertrag ein solches Verfahren bereits vorsieht. Anders als bei der Aktiengesellschaft lässt sich ggf. durch Gesellschaftsvertrag die Zusammenkunft der Gesellschafter sogar gänzlich entbehrlich machen (ob dies auch sinnvoll ist, ist natürlich eine andere Frage). Eine Änderung des Gesellschaftsvertrags unter dem Stichwort „Pandemiefestigkeit“ kann sich also anbieten.

Ziemlich sicher ist, dass es eine weitere Verlängerung der COVMG-Regeln über den 31.08.2022 hinaus nicht mehr geben wird. Stattdessen soll angeblich eine grundsätzliche „Renovierung“ der Vorschriften zur Beschlussfassung in Kapitalgesellschaften beabsichtigt sein. Ob allerdings dies – zumal relativ kurz nach der Bundestagswahl – zeitnah gelingt? Da mag es doch näherliegen, erst einmal die Regeln zur Willensbildung der Gesellschaft in der eigenen Gesellschaftsverfassung (Satzung, Gesellschaftsvertrag) anzugehen.

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