1. Erhöhung des Pauschbetrags für Nachlassverbindlichkeiten
Ein zentraler Punkt der Reform ist die Erhöhung des Pauschbetrags für Nachlassverbindlichkeiten. Seit 1996 lag dieser Betrag unverändert bei 10.300 Euro und wurde nun mit dem Jahressteuergesetz 2024 auf 15.000 Euro erhöht.
Hintergrund dieser Anpassung ist, dass die ursprüngliche Höhe des Pauschbetrags den realen Kosten für Bestattung, Nachlassabwicklung und Verteilung des Erbes nicht mehr gerecht wurde. Steuerpflichtige profitieren von dieser Änderung, da nun höhere Kosten ohne Einzelnachweis steuerlich absetzbar sind.
Darüber hinaus gilt weiterhin, dass höhere tatsächliche Kosten über diesen Betrag hinaus steuerlich geltend gemacht werden können, sofern sie nachgewiesen werden.
2. Unionsrechtskonforme Anpassungen: Steuerbefreiung für vermietete Immobilien
Eine bedeutende Änderung wurde aufgrund eines Urteils des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) vorgenommen. Bisher konnten Steuerpflichtige einen Bewertungsabschlag von 10 % auf vermietete Immobilien nur innerhalb der EU und des EWR in Anspruch nehmen. Der EuGH hat entschieden, dass diese Regelung gegen die Kapitalverkehrsfreiheit verstößt, wenn sie nicht auf Drittstaaten ausgeweitet wird.
Daher wurde die Steuervergünstigung im Gesetz nun auch auf Immobilien in Drittstaaten erweitert. Dies bedeutet, dass beispielsweise Vermietungsobjekte in den USA, Kanada oder der Schweiz nun ebenfalls von dem Abschlag profitieren können.
Zusätzlich wurde eine Sonderstundungsmöglichkeit für Grundbesitz eingeführt, der zu Wohnzwecken genutzt wird. Erben erhalten so unter bestimmten Voraussetzungen eine steuerliche Stundung, um die Liquiditätsbelastung durch hohe Erbschaftsteuern zu reduzieren.
3. Kein Behaltenspflichtverstoß durch Insolvenzverfahren
Eine weitere Änderung betrifft die steuerliche Behandlung von Betriebsvermögen im Erbfall. Grundsätzlich gelten für begünstigtes Betriebsvermögen Behaltenspflichten von fünf oder sieben Jahren, um Steuervergünstigungen nicht zu verlieren.
Bisher galt die bloße Eröffnung eines Insolvenzverfahrens über das Vermögen einer Kapitalgesellschaft als Verstoß gegen diese Frist, was den Verlust der Steuerprivilegien zur Folge hatte. Der Bundesfinanzhof (BFH) hat nun jedoch entschieden, dass dies keine schädliche Handlung darstellt. Erst wenn die Gesellschaft endgültig eingestellt wird, kommt es zum Verstoß gegen die Behaltenspflicht. Diese gesetzliche Klarstellung schafft mehr Rechtssicherheit, insbesondere für Unternehmen, die ein Insolvenzverfahren durchlaufen und anschließend saniert werden.
4. Änderungen bei der Bewertung von Vermögen
Auch das Bewertungsgesetz wurde angepasst. Besonders betroffen ist das landwirtschaftliche Vermögen, für das steuerliche Begünstigungen in bestimmten Fällen erweitert wurden. Nach der gesetzlichen Neuregelung liegt eine Fortsetzung des Betriebs auch vor, wenn der Betrieb, der auch nur aus einzelnen land- und forstwirtschaftlichen Grundstücken bestehen kann, Dritten zur Nutzung überlassen wird.
Eine weitere relevante Änderung betrifft die Vereinfachung der Ertragswertermittlung. Diese Maßnahme soll Unternehmensnachfolgen erleichtern, indem die steuerliche Bewertung vereinfacht wird und weniger komplexe Bewertungsverfahren angewendet werden müssen.
5. Erbschaftsteuerliche Behandlung von Kapitalgesellschaften: Klärung des 90 %-Checks
Damit ein Unternehmen als begünstigtes Betriebsvermögen gilt und von steuerlichen Vergünstigungen profitieren kann, darf das Verwaltungsvermögen maximal 90 % des Gesamtwerts betragen. Bisher war unklar, ob bei der Berechnung dieser Quote Schulden abgezogen werden dürfen. Die Finanzverwaltung hat nun klargestellt, dass Schulden in die Berechnung mit einfließen dürfen. Diese Änderung ist für viele Unternehmen vorteilhaft, da sie die Chance auf Steuerbegünstigungen erhöht und damit Betriebsübertragungen erleichtert.
6. Erhöhung der persönlichen Freibeträge? Bayerns Klage vor dem Bundesverfassungsgericht
Ein politischer Streitpunkt bleibt die Höhe der persönlichen Freibeträge. Bayern hält die aktuell geltenden Freibeträge für zu niedrig und hat daher eine Klage beim Bundesverfassungsgericht eingereicht. Die bayerische Regierung argumentiert, dass durch die steigenden Immobilienpreise insbesondere in Ballungsräumen immer mehr Erben in Steuerpflicht geraten. Bayern fordert eine Erhöhung der Freibeträge und eine Regionalisierung, sodass die Erbschaftsteuer je nach regionaler Vermögenssituation unterschiedlich ausfällt. Ein früherer Antrag zur Erhöhung der Freibeträge im Bundesrat war bereits gescheitert.
Ob das Bundesverfassungsgericht dieser Argumentation folgt, bleibt abzuwarten. Eine Entscheidung könnte jedoch weitreichende Auswirkungen auf die zukünftige Gestaltung der Erbschaftsteuer haben.
7. Disquotale Einlagen in Kapitalgesellschaften als steuerbarer Schenkungstatbestand
Eine weitere gesetzliche Klarstellung betrifft disquotale Einlagen in Kapitalgesellschaften. Bisher war umstritten, ob eine Einlage, die nicht im Verhältnis zur bestehenden Beteiligung erfolgt, eine steuerbare Schenkung darstellt.
Das Finanzgericht Hamburg hatte entschieden, dass dies keine schenkungsteuerpflichtige Transaktion sei. Um steuerliche Unsicherheiten zu vermeiden, hat der Gesetzgeber daraufhin klargestellt, dass eine solche Einlage nunmehr als Schenkung im Sinne des § 7 Abs. 9 ErbStG zu werten ist. Diese Neuregelung verhindert eine steuerfreie Übertragung von Unternehmensanteilen durch gezielte Kapitalmaßnahmen.
Die Änderungen bringen sowohl neue Chancen als auch Herausforderungen mit sich. Um steuerliche Nachteile zu vermeiden und alle Gestaltungsmöglichkeiten bestmöglich auszuschöpfen, kontaktieren Sie Jochen von Loos für eine individuelle Beratung.