31.01.2023 / Artikel aus PKF Nachrichten 02/2023
von RAin Yvonne Sinram

Bereits 2019 hatte der EuGH entschieden, dass die Mitgliedstaaten in nationalen Regelungen die Arbeitgeber verpflichten müssen, ein System einzurichten, mit dem die tägliche Arbeitszeit eines jeden Mitarbeitenden zu erfassen ist. Der deutsche Gesetzgeber ist bislang untätig geblieben. Nun wurde das BAG aktiv und hat Eckpunkte aufgestellt.

Nachdem eine Pressemitteilung zum BAG-Beschluss vom 13.9.2022 (Az.: 1 ABR 22/21) einige Fragen aufgeworfen und noch einiges im Unklaren gelassen hatte, sind nunmehr auch die Entscheidungsgründe veröffentlicht worden: Hiermit ergibt sich ein klareres Bild über die konkreten Anforderungen für Arbeitgeber, die nachfolgend skizziert werden. 

Pflicht zur Arbeitszeiterfassung auch ohne neue gesetzliche Regelung

Deutschland hat bislang nicht auf die Vorgaben des EuGH reagiert und keine gesetzliche Neuregelung erlassen, nach der Arbeitgeber verpflichtet werden, ein objektives, verlässliches und zugängliches System einzurichten, mit dem die tägliche Arbeitszeit eines jeden Mitarbeitenden zu erfassen ist. Nach Ansicht des BAG ist dies jedoch gar nicht nötig. Nach seinem o.g. Beschluss besteht eine solche Pflicht zur Arbeitszeiterfassung schon aufgrund der derzeit bestehenden Gesetzeslage zum Arbeitsschutz und ist daher mit sofortiger Wirkung (!) von jedem Arbeitgeber zu erfüllen.

Hinweis: Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales hat jedoch angekündigt, alsbald einen praxistauglichen Vorschlag für die Ausgestaltung der Arbeitszeiterfassung im Arbeitszeitgesetz vorzulegen. 

Inhalt der Zeiterfassungspflicht

Zu erfassen ist die tatsächliche tägliche Arbeitszeit der Mitarbeitenden, also der Beginn und das Ende der jeweiligen Arbeitszeit (inkl. Überstunden), um die Einhaltung der Höchstarbeitszeit und der vorgeschriebenen Ruhezeiten kontrollieren zu können. Die Aufzeichnung lediglich der Dauer der täglichen Arbeitszeit reicht demnach nicht aus.

Wie genau die Aufzeichnung zu erfolgen hat, gibt das Gericht nicht vor. Hier dürften sich bevorzugt digitale Erfassungssysteme anbieten, möglich wäre aber z.B. auch eine Erfassung in Papierform. Dem Betriebsrat steht hinsichtlich der Ausgestaltung ein Mitbestimmungsrecht zu.

Ausdrücklich zugelassen wird eine Abwälzung der Erfassungspflicht auf die Mitarbeitenden selbst. Insofern ist jedoch anzunehmen, dass dem Arbeitgeber eine Prüfpflicht obliegt und zumindest stichprobenartige Kontrollen erfolgen müssen.

Hinweis: Unklar ist noch, ob die Pflicht zur Arbeitszeiterfassung auch für leitende Angestellte gilt. Es steht zu hoffen, dass diese und andere Fragen im angekündigten Gesetz geregelt werden. 

Rechtsfolgen bei Verstößen

Geregelt werden dann in dem angekündigten Gesetz vermutlich auch die Sanktionen bei Verstößen. Derzeit führt ein Verstoß noch nicht unmittelbar zu einem Bußgeld. Die Arbeitsschutzbehörden können von den Arbeitgebern lediglich Nachbesserungen verlangen und dann erst bei Nichtbefolgung Bußgelder verhängen.  

Hinweis: Auswirkungen auf flexible Arbeitszeitmodelle, Vertrauensarbeitszeit oder mobiles Arbeiten dürften sich durch die BAG-Entscheidung nicht ergeben. Denn die Zeiterfassungspflicht dient lediglich der Einhaltung des ohnehin geltenden Arbeitszeitgesetzes und nicht der Einhaltung der vertraglich geschuldeten Arbeitszeiten. Eine Pflicht zur Dokumentation steht der flexiblen Selbstbestimmung der Arbeitszeit also nicht entgegen. Hinsichtlich des „Vertrauens“ wird allerdings eine sorgsame Kommunikation gegenüber den Mitarbeitenden nötig sein.

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