Anwendungsbereich
Die die Modernisierung der Außenprüfung betreffenden Neuregelungen sind Bestandteil des Gesetzes „zur Umsetzung der Richtlinie (EU) 2021/514 des Rates … zur Änderung der Richtlinie 2011/16/EU über die Zusammenarbeit der Verwaltungsbehörden im Bereich der Besteuerung und zur Modernisierung des Steuerverfahrensrechts“ vom 20.12.2022, das mit der Veröffentlichung im BGBl. Teil I vom 28.12.2022 (S. 2730) in Kraft getreten ist. Das Gesetz (auch DAC-7-Umsetzungsgesetz genannt) wird die Unternehmen insbesondere zu einer schnelleren Korrektur von Steuererklärungen und Mitwirkung bei Anfragen der Betriebsprüfung verpflichten.
Die nachfolgend beschriebenen Neuregelungen sollen grundsätzlich anzuwenden sein für Steuern, die nach dem 31.12.2024 entstehen. Sie gelten jedoch auch schon für frühere Veranlagungszeiträume, soweit für sie nach dem 31.12.2024 Prüfungsanordnungen ergehen.
Einzelne Regelungsbereiche
Berichtigungspflicht nach § 153 Abs. 4 AO
Nach § 153 AO sind Steuerpflichtige schon bisher verpflichtet, erkannte Fehler in einer Steuererklärung unverzüglich anzuzeigen und zu berichtigen. Diese Verpflichtung wird dahingehend erweitert, dass darüber hinaus unanfechtbare Prüfungsfeststellungen aus einer Außenprüfung, soweit sie sich auch in nachfolgenden Veranlagungszeiträumen auswirken, zu einer Korrektur der Steuererklärungen verpflichten (§ 153 Abs. 4 AO).
Empfehlung: Daher sollten Folgeanpassungen aus einem Prüfungszeitraum – soweit sie sich nicht positiv auswirken – nicht mehr der nächsten Betriebsprüfung überlassen werden.
Begrenzung der Ablaufhemmung nach § 171 Abs. 4 AO
Mit der Neufassung von § 171 Abs. 4 AO sollen die Durchführung und der Abschluss einer BP wesentlich beschleunigt werden. Nach der bisherigen Gesetzesfassung des § 171 Abs. 4 Satz 3 AO endet im Fall einer BP die Festsetzungsfrist spätestens nach Ablauf des Kalenderjahrs, in dem die Schlussbesprechung stattgefunden hat.
Die gesetzlichen Neuregelungen sehen nun vor, dass die an den Beginn einer BP anknüpfende Ablaufhemmung künftig spätestens fünf Jahre nach Ablauf des Kalenderjahrs endet, in dem die Prüfungsanordnung bekanntgegeben wurde. Damit wird die bislang fehlende zeitliche Begrenzung aufgehoben.
Hinweis: Die Begrenzung der Ablaufhemmung gilt nicht in den Fällen, in denen der Beginn der Außenprüfung auf Antrag des Steuerpflichtigen verschoben oder unterbrochen wird.
Bindender Teilabschluss nach § 180 Abs. 1a AO
Ein „bindender Teilabschluss“ gem. § 180 Abs. 1a AO ist eine verbindliche Entscheidung der Finanzbehörde über bestimmte Teile einer Steuerfestsetzung, die für die betreffende Veranlagungsperiode als endgültig angesehen werden. Die Finanzbehörde erstellt im Rahmen des Teilabschlussverfahrens ein Dokument (sog. Teilprüfungsbericht bzw. Teilabschlussbescheid), um die Ergebnisse einer Prüfung bestimmter Sachverhalte festzuhalten. Dadurch wird eine endgültige Entscheidung für den betreffenden Teil der Steuerfestsetzung getroffen, die für die jeweilige Veranlagungsperiode bindend ist. Das bedeutet, dass der Steuerpflichtige für diesen Teil der Steuerfestsetzung keine Einspruchsmöglichkeit mehr hat, aber auch keine Änderung mehr durch die Finanzbehörde erfolgen kann.
Ein bindender Teilabschluss kann nur erlassen werden, wenn der Steuerpflichtige alle für den Abschluss maßgeblichen Tatsachen vollständig und richtig offenlegt. Zudem muss er erklären, dass er auf weitere Ermittlungen und die Beibringung von Beweismitteln verzichtet. Der Steuerpflichtige profitiert von einem bindenden Teilabschluss dadurch, dass er Rechtssicherheit für den betreffenden Sachverhalt erhält und die Veranlagung zügig abgeschlossen werden kann.
Hinweis: Die erstmalige Anwendung ist für Besteuerungszeiträume vorgesehen, für die nach dem 31.12.2024 mit einer Außenprüfung begonnen wurde.
Erweiterung der Mitwirkungspflichten nach § 90 AO
Die Generalklausel des § 90 AO enthält allgemeine Regelungen über Mitwirkungspflichten der Beteiligten im Besteuerungsverfahren. Neben einer redaktionellen Neugliederung der Vorschrift ergeben sich mit der gesetzlichen Neuregelung einige Änderungen in Bezug auf Aufzeichnungspflichten für Auslandssachverhalte (§ 90 Abs. 3 und 4 AO). Die bisher nur für außergewöhnliche Geschäftsvorfälle bestehende 30-Tage-Frist zur Vorlage der Aufzeichnungen wird auf alle Aufzeichnungen erweitert, d.h. die Vorlagefrist wird vereinheitlicht und verkürzt.
Hinweis: Darüber hinaus kann künftig jederzeit eine Vorlage verlangt werden und nicht nur im Rahmen einer BP.
Neues Sanktionssystem bei Mitwirkungsverlangen nach § 200a AO
Der neue § 200a AO enthält Regelungen zu qualifizierten Mitwirkungsverlangen im Rahmen einer BP. Um die Mitwirkung des Steuerpflichtigen auch bei einer Verkürzung der Ablaufhemmung in § 171 Abs. 4 AO (n.F.) sicherzustellen, wird ein qualifiziertes Mitwirkungsverlangen in Form eines vollstreckbaren Verwaltungsakts mit besonderen Rechtsfolgen für den Fall der Nichterfüllung eingeführt. Das qualifizierte Mitwirkungsverlangen darf frühestens nach Ablauf von sechs Monaten seit Bekanntgabe der Prüfungsanordnung ergehen.
Die Erfüllungsfrist beträgt grundsätzlich einen Monat ab Bekanntgabe des qualifizierten Mitwirkungsverlangens an den Steuerpflichtigen. Zur Sicherung der pünktlichen Erfüllung des qualifizierten Mitwirkungsverlangens soll bei dessen nicht rechtzeitiger und nicht oder nicht vollständiger Erfüllung ein Mitwirkungsverzögerungsgeld festgesetzt werden können. Es beträgt für jeden vollen Tag der Mitwirkungsverzögerung 75 € (höchstens für 150 Kalendertage).
Hinweis: Für den Fall wiederholter Mitwirkungsverzögerung droht noch ein Zuschlag zum Mitwirkungsverzögerungsgeld. Dieser Zuschlag ist auf höchstens 25.000 € für jeden vollen Kalendertag begrenzt und ist ebenfalls höchstens für 150 Kalendertage festsetzbar.
Verbindliche Zusage nach § 204 Abs. 2 AO
Flankierend zu der neuen Möglichkeit, einzelne Sachverhalte im Rahmen einer Außenprüfung bereits vorab (über einen bindenden Teilabschluss) verbindlich zu regeln (s. vorstehend Abschn. „Bindender Teilabschluss nach § 180 Abs. 1a AO“), besteht nunmehr auch die Möglichkeit, diese Sachverhalte mit der Finanzbehörde verbindlich auch für die Zukunft und noch vor Abschluss der Außenprüfung zu regeln. Inhaltlich unterscheidet sich diese verbindliche Zusage nicht von der üblichen verbindlichen Zusage im Anschluss an eine abgeschlossene Außenprüfung.
Hinweis: Allerdings kann der Zeitpunkt für eine solche punktuelle Zusage vorgezogen werden und diese noch während einer laufenden Außenprüfung erteilt werden, wenn ein berechtigtes Interesse an einer vorzeitigen Zusage glaubhaft gemacht werden kann. Ansonsten bleibt immer noch der Weg einer verbindlichen Zusage nach Abschluss der Außenprüfung.
Weitere Regelungen im Überblick
Zusätzlich zu den vorstehend in Abschn. „Einzelne Regelungsbereiche“ erläuterten Neuerungen enthält das Gesetz weitere Regelungen, die zur Beschleunigung von Außenprüfungen beitragen sollen. Hervorzuheben sind insbesondere folgende Aspekte:
- Die Prüfungsstelle kann zukünftig nach Einreichung der Buchführungsunterlagen bereits Prüfungsschwerpunkte festsetzen (§ 197 Abs. 3 bis 5 AO).
- Die Finanzbehörde soll mit dem Steuerpflichtigen vereinbaren können, in regelmäßigen Abständen Gespräche über die festgestellten Sachverhalte und die möglichen steuerlichen Auswirkungen zu führen (§ 199 Abs. 2 AO).
- Zulässig ist künftig die Durchführung elektronischer Verhandlungen und Besprechungen (§§ 87a, 201 Abs. 1 AO).
- Vorgesehen ist ferner die Erweiterung des Datenzugriffs über physische Datenträger hinaus (sog. „Z3-Zugriff“) auf digitale Speicherquellen (§ 146 Abs. 6 AO); den Finanzbehörden wird der mobile Zugriff auf die Daten gestattet (§ 146 Abs. 7 AO).
Prüfungserleichterungen bei Tax-CMS-Verwendung
Mit der Umsetzung des skizzierten Gesetzespakets werden auch Tax Compliance Management Systeme („Tax CMS”) an Bedeutung gewinnen. Auf Antrag des Steuerpflichtigen können – nach entsprechender Prüfung durch die Finanzverwaltung im Rahmen einer BP und unter Widerrufsvorbehalt – bestimmte Methodiken dazu genutzt werden, die Art und den Umfang der künftigen BP einzuschränken (Erprobung alternativer Prüfungsmethoden, eine Art „risikobasierter Prüfungsansatz“ der Finanzverwaltung). Die Erprobungsphase dafür ist bis zum 30.4.2029 vorgesehen (Art. 97 § 38 EGAO).
Empfehlung: Weil die Finanzverwaltung mit hohen Sanktionsmöglichkeiten ausgestattet wurde, ist eine Anpassung der Dokumentationsprozesse zu empfehlen, um Sachverhalte und deren steuerliche Konsequenzen im Zweifelsfall belegen zu können.