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Mehr Betriebsräte durch neues Wahlrecht?

Seit Juni gilt das neue Wahlrecht für Betriebsräte.

Seit dem 18.06.2021 gilt das neue Wahlrecht für Betriebsräte. Die Regelungen sollen die Gründung von Betriebsräten vereinfachen. Ob dies so ist und worauf Sie als Arbeitgeber achten müssen, erfahren Sie in diesem Artikel.

1 Grundlagen

In Betrieben, mit in der Regel mindestens fünf ständig wahlberechtigten Arbeitnehmern, von denen drei wählbar sind, werden Betriebsräte gewählt (§ 1 Abs. 1 Satz 1 BetrVG)

  • Zu den ständig Wahlberechtigten zählten bisher: Arbeitnehmer, die das 18. (vgl. jetzt Punkt 2.2) Lebensjahr vollendet haben, und Leiharbeitnehmer, wenn geplant ist, sie länger als drei Monate im Betrieb einzusetzen. Zu den Arbeitnehmern zählen auch die Auszubildenden. Nicht dazu gehören echte leitende Angestellte, Prokuristen, Geschäftsführer/Inhaber, Gesellschafter und Familienangehörige
  • Wählbar sind alle Wahlberechtigten, die dem Betrieb sechs Monate angehören.

Das Gesetz geht also davon aus, dass in diesen Betrieben auf jeden Fall Betriebsräte gebildet werden. Das bedeutet aber nicht, dass dies automatisch geschieht oder, dass Sie als Arbeitgeber für die Errichtung des Betriebsrats sorgen müssen. Es ist auch nicht so, dass ein Betrieb ohne Betriebsrat rechtswidrig wäre. Die Wahl an sich muss von den Beschäftigten ausgehen. 

2 Änderungen im Wahlrecht

2.1 Ausweitung des vereinfachten Wahlverfahrens

Das vereinfachte Wahlverfahren wird auf Betriebe von bis zu 50 Arbeitnehmern auf bis zu 100 Arbeitnehmern verpflichtend ausgeweitet. In Betrieben mit bis zu 200 Arbeitnehmern ist eine freiwillige Vereinbarung mit dem Arbeitgeber zur Durchführung des vereinfachten Wahlverfahrens möglich. Was ist das vereinfachte Wahlverfahren? Es zeichnet sich im Wesentlichen durch verkürzte Fristen aus. Wirklich einfacher in der Durchführung ist es aber nicht.

2.2 Herabsetzung des Wahlalters für das aktive Wahlrecht

Das aktive Wahlrecht gilt jetzt bereits für Arbeitnehmer, die das 16. Lebensjahr vollendet haben.

2.3 Weniger Stützunterschriften in kleinen Betrieben

In Betrieben mit bis zu 20 Beschäftigten sind keine Stützunterschriften mehr für Wahlvorschläge erforderlich. In Betrieben mit mehr als 20 und bis zu 100 Wahlberechtigten genügen zwei Stützunterschriften. In Betrieben mit 21 bis 100 Wahlberechtigten ist für Vorschläge, die erst auf der Wahlversammlung gemacht werden, keine Schriftform mehr erforderlich. Die Unterstützung eines Wahlvorschlags kann per Handzeichen erfolgen.

2.4 Einschränkung des Anfechtungsrechts der Betriebsratswahl

Die Anfechtung durch die Wahlberechtigten ist ausgeschlossen, soweit sie darauf gestützt wird, dass die Wählerliste unrichtig ist, wenn nicht zuvor aus demselben Grund ordnungsgemäß Einspruch eingelegt wurde. Dies gilt nicht, wenn die anfechtenden Wahlberechtigten an der Einlegung eines Einspruchs gehindert waren. Die Anfechtung durch den Arbeitgeber ist ausgeschlossen, wenn sie darauf gestützt wird, dass die Wählerliste unrichtig ist und wenn diese Unrichtigkeit auf seinen Angaben beruht.

2.5 Mehr Kündigungsschutz

2.5.1 Erweiterung: Einladung zur Wahlversammlung

Der Kündigungsschutz gem. § 15 Abs. 3a KSchG wird von bisher, den ersten drei auf nunmehr die ersten sechs Arbeitnehmer, die in der Einladung zur Wahlversammlung stehen, erweitert. Der Kündigungsschutz bezieht sich wie bisher auf ordentliche Kündigungen und auf den Zeitpunkt von der Einladung bis zur Bekanntgabe des Wahlergebnisses. Einen nachwirkenden Kündigungsschutz gibt es für diese Personengruppen nicht.

2.5.2 Neu: Kündigungsschutz für Vorbereitungshandlungen zur Betriebsratswahl

Der Kündigungsschutz gem. § 15 Abs. 3b KSchG bezieht sich auf einen Zeitraum von maximal drei Monaten und ist beschränkt auf ordentliche Kündigungen aus personen- und verhaltensbedingten Gründen. Der Schutz beginnt mit der Abgabe der öffentlich beglaubigten Erklärung und dauert bis zum Zeitpunkt der Einladung zu einer Betriebsratswahl (maximal drei Monate). Der Kündigungsschutz greift aber in allen Fällen nur dann, wenn die Initiatoren der Betriebsratswahl eine öffentlich beglaubigte Erklärung abgegeben haben, dass sie einen Betriebsrat gründen wollen. Sie müssen auch entsprechende Vorbereitungshandlungen (z.B. Kontaktaufnahme zur Gewerkschaft; Sprechen mit anderen Arbeitnehmern) dafür unternommen haben. Es existieren hierbei jedoch keine Begrenzungen hinsichtlich der Personenanzahl.

3 Was heißt das für Sie als Arbeitgeber   

Müssen Sie jetzt eine Gründung von Betriebsräten in Ihren Betrieben befürchten? Generell müssen Sie das immer, wenn die Voraussetzungen des § 1 Abs. 1 Satz 1 BetrVG erfüllt sind. In der Praxis hat sich noch keine Welle an neuen Betriebsratsgründungen durch die Gesetzesänderungen gezeigt. Dies kann sich aber mit der nächsten regulären Wahlperiode im Frühjahr 2022 ändern, wenn von Seiten der Gewerkschaft nochmals stark für die Gründung von Betriebsräten geworben wird.

4 Hinweise

Die Erweiterungen des Kündigungsschutzes sind in der Praxis die für Sie als Arbeitgeber einschneidendsten Veränderungen. Insbesondere der Kündigungsschutz für Vorbereitungshandlungen bietet Missbrauchspotential. Besonders schwierig für Sie als Arbeitgeber ist es hierbei, die Vorbereitungshandlungen überhaupt zu erkennen und den betroffenen Personenkreis zu überblicken. Achten Sie deshalb auf Unzufriedenheiten im Betrieb. Ein gutes Arbeitsklima und ein direkter Draht sowie eine gute Kommunikation zum Arbeitgeber sind wesentlich, um auch ohne einen Betriebsrat - gerade in kleineren Betrieben - gut zusammenarbeiten zu können. Machen Sie hierauf auch immer Ihre Vorgesetzten aufmerksam.

Generell gilt: Reagieren Sie rechtzeitig auf Missstimmungen und holen Sie sich fachliche Unterstützung.

 

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