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BMF kündigt Sonderregelungen für Grenzpendler an

Aufgrund der aktuellen Situation arbeiten inzwischen viele Arbeitnehmer überwiegend oder sogar vollständig im Home-Office. Das betrifft auch Grenzpendler, d. h. Personen, die in einem Staat wohnen und in einem anderen Staat ihrer beruflichen Tätigkeit nachgehen.

Das Besteuerungsrecht an den Arbeitseinkünften von Grenzpendlern ergibt sich aus dem zwischen Wohnsitzstaat und Tätigkeitsstaat abgeschlossenen Doppelbesteuerungsabkommen (DBA), sofern ein solches DBA existiert.

In den zwischen Deutschland und seinen unmittelbaren Nachbarstaaten abgeschlossenen DBA finden sich unterschiedliche Regelungen zu dieser Frage. Während manche DBA explizite Regelungen für Grenzpendler enthalten (z. B. DBA Schweiz), sind in anderen DBA die allgemeinen Regeln zur Besteuerung von Arbeitseinkünften heranzuziehen, die zwar grundsätzlich auf Artikel 15 des OECD-Musterabkommens basieren, im Detail aber wieder davon abweichende und individuelle Regelungen enthalten können.

Bei der Anwendung der Regelungen eines DBA spielt die Anzahl der Anwesenheitstage in den jeweiligen Staaten oftmals eine wesentliche Rolle. Durch die vermehrte Tätigkeit im Home-Office kann es daher bei Anwendung der bestehenden Regelungen zu einem Wechsel des Besteuerungsrechts von einem zum anderen Staat kommen. Dies hätte Auswirkungen auf die steuerliche Situation des Arbeitnehmers, die bei einer planmäßigen Arbeitsausübung nicht eingetreten wären.

Das Bundesfinanzministerium (BMF) möchte solche ungewollten Effekte vermeiden. Es ist daher nach einer Mitteilung des BMF vom 03.04.2020 geplant, mit den angrenzenden Nachbarstaaten zeitlich befristete Konsultationsvereinbarungen abzuschließen. Gegenstand dieser bilateralen Sonderregelungen soll sein, dass die Arbeitnehmer trotz ihrer Tätigkeit im Home-Office steuerlich weiterhin so behandelt werden, als hätten sie ihre Tätigkeit wie gewohnt an ihrem eigentlichen Tätigkeitsort ausgeübt.

Dies soll nach der Vorstellung des BMF allerdings nur für Arbeitstage gelten, an denen die Tätigkeit im Home-Office „nur aufgrund der Maßnahmen zur Bekämpfung der Covid-19 Pandemie“ ausgeübt worden ist. Sofern die Tätigkeit im Home-Office unabhängig von diesen Maßnahmen ausgeübt worden ist, soll diese sogenannte „Tatsachenfiktion“ nicht gelten; dabei hat das BMF insbesondere Fälle im Blick, in denen ein Arbeitnehmer aufgrund arbeitsvertraglicher Regelungen ohnehin im Home-Office tätig ist.

Schließlich weist das BMF noch darauf hin, dass der Wechsel des Besteuerungsrechts bei Existenz eines DBA nach seiner Auffassung grundsätzlich keine sachliche Unbilligkeit darstelle, weil in einem solche Fall keine Gefahr einer Doppelbesteuerung bestehe. Daher sei eine pragmatische und zeitlich beschränkte Regelung angemessen, um die Menschen in der aktuellen Situation nicht zusätzlich mit steuerlichen Auswirkungen zu verunsichern.

Anmerkung und Empfehlung

Es ist generell zu begrüßen, dass im Einvernehmen zwischen Wohnsitzstaat und Tätigkeit versucht werden soll, ungewollte steuerliche Effekte für Grenzpendler infolge der Corona-Pandemie zu vermeiden, und den gewohnten steuerlichen Status Quo für den Fall aufrecht zu erhalten, dass die Tätigkeit ungeplant im Home-Office ausgeübt wird. Da nur solche Arbeitstage im Home-Office relevant sein sollen, die „nur aufgrund der Maßnahmen zur Bekämpfung der Covid-19 Pandemie“ verursacht sind, dürften sich allerdings neue Abgrenzungsschwierigkeiten ergeben, die hoffentlich praxisorientiert gelöst werden.

Im Moment handelt es sich erst einmal nur um eine Ankündigung. Sollte es nicht zum Abschluss entsprechender Vereinbarungen kommen, wird man aufgrund des Hinweises des BMF auf die Vermeidung der Doppelbesteuerung durch die bestehenden DBA wohl nicht mit Billigkeitsmaßnahmen rechnen können, auch wenn sich durch den Wechsel des Besteuerungsrechts eine höhere Steuer ergibt. Das liegt an der Regelungstechnik des DBA, die zwar eine Doppelbesteuerung vermeiden soll, jedoch nicht die Aufgabe hat, die Anwendung des jeweils niedrigeren Steuerniveaus sicherzustellen.

Aktuell empfehlen wir Grenzpendlern, die Gründe für die Tätigkeit im Home-Office möglichst zeitnah und genau zu dokumentieren, um später den Nachweis zu erleichtern, dass diese „nur aufgrund der Maßnahmen zur Bekämpfung der Covid-19 Pandemie“ ausgeübt worden ist.

Update (06.04.2020, 16.30 Uhr):

Heute Nachmittag ist die erste abgeschlossene Verständigungsvereinbarung bekannt geworden. Es handelt sich um eine Verständigungsvereinbarung zwischen Deutschland und Luxemburg. Diese findet Anwendung auf Arbeitstage im Zeitraum vom 11.03.2020 bis zum 30.04.2020. Die Verständigungsvereinbarung verlängert sich jeweils um einen Kalendermonat, sofern sie nicht von einem der beiden Staaten mindestens eine Woche vor Beginn des jeweils folgenden Kalendermonats gekündigt wird.

Auf Basis der Verständigungsvereinbarung können Arbeitstage, für die Arbeitslohn bezogen wird und an denen Arbeitnehmer nur aufgrund der Maßnahmen zur Bekämpfung der Covid-19 Pandemie ihre Tätigkeit im Home-Office ausüben, als in dem Vertragsstaat verbrachte Arbeitstage gelten, in dem die Arbeitnehmer ihre Tätigkeit ohne die Maßnahmen zur Bekämpfung der Covid-19 Pandemie ausgeübt hätten.

Wer von dieser Tatsachenfiktion Gebrauch macht, ist verpflichtet, geeignete Aufzeichnungen zu führen. Als geeignete Aufzeichnung wird nach dem Wortlaut der Regelung ausschließlich eine Arbeitgeberbescheinigung angesehen. In dieser Bescheinigung sind die Arbeitstage anzugeben, in denen der Arbeitnehmer seine Tätigkeit aufgrund der Covid-19 Pandemie im Home-Office ausgeübt hat. Darüber hinaus enthält die Verständigungsvereinbarung eine Rückfallklausel, mit der sichergestellt wird, dass der Arbeitslohn auf jeden Fall in einem der beiden Staaten besteuert wird.

Abschließend wird noch klargestellt, dass die beiden Staaten darüber einig sind, dass das in Deutschland ausgezahlte „Kurzarbeitergeld“ sowie die in Luxemburg ausgezahlten „Beträge wegen Kurzarbeit (chômage partiel)“ als Bezüge aus der gesetzlichen Sozialversicherung des jeweiligen Staates im Sinne von Art. 17 Abs. 2 des DBA zu qualifizieren sind.

 

Weitere Informationen finden Sie hier:

Corona-Krise – Erste Hilfe von PKF

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