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Konjunkturpaket der Bundesregierung – befristete Senkung der Mehrwertsteuer

Am 03.06.2020 haben sich die Koalitionsparteien auf ein Bündel an steuerlichen und weiteren Maßnahmen verständigt. Einen Überblick zu allen steuerlichen Maßnahmen finden Sie in unserem Blog-Beitrag vom 05.06.2020.

Im Bereich der Umsatzsteuer wurde als zentrale Maßnahme eine auf sechs Monate befristete Senkung des Mehrwertsteuersatzes von 19 % auf 16 % bzw. von 7 % auf 5 % beschlossen. Diese Änderung soll für den Zeitraum vom 01.07.2020 bis zum 31.12.2020 wirksam sein und zielt darauf ab, in Deutschland die Binnennachfrage zu stärken. Als weitere Maßnahme wurde eine Verschiebung der Fälligkeit der Einfuhrumsatzsteuer auf den 26. des Folgemonats beschlossen.

Die geänderten Steuersätze gelten nicht nur für Lieferungen und sonstige Leistungen, sondern auch für innergemeinschaftliche Erwerbe. Aufgrund der bestehenden Systematik des Umsatzsteuergesetzes dürften die geänderten Steuersätze auch für die Einfuhrumsatzsteuer gelten.

Keine eindeutigen Aussagen trifft das Koalitionspapier zu den Sonderregelungen für bestimmte Steuerpflichtige, z. B. für land- und forstwirtschaftliche Betriebe. Die insoweit geltenden Durchschnittssätze (vgl. §§ 23, 23a und 24 UStG) dürften von den Maßnahmen nicht betroffen sein.

Die bisher vorliegenden Informationen basieren auf einem Ergebnispapier, welches ggf. noch nicht alle Details der geplanten Änderungen wiedergibt. Insoweit bleibt ein konkreter Gesetzentwurf abzuwarten. Wegen der kurzen verbleibenden Zeit bis zum Wirksamwerden der Steuersatzänderung am 01.07.2020 sollte aber schon jetzt geprüft werden, welche organisatorischen Maßnahmen (z. B. in der Buchhaltung) zu ergreifen sind, damit das Unternehmen rechtzeitig startklar ist.

Organisatorische Maßnahmen

Zur korrekten buchhalterischen Abbildung der geänderten Steuersätze dürften in aller Regel sowohl für die Umsatzsteuer als auch für die Vorsteuer zusätzliche Steuerschlüssel einzurichten sein. Weitere Anpassungen sind ggf. in den Stammdaten der Debitoren und Kreditoren erforderlich.

Weiterhin empfiehlt es sich, durch entsprechende interne Kontrollen sicherzustellen, dass die Ausgangsrechnungen den jeweils zutreffenden Steuersatz enthalten, und auch, dass die in den Eingangsrechnungen ausgewiesene Umsatzsteuer zutreffend ermittelt worden ist. 

Ein zentraler Aspekt ist hierbei die korrekte Bestimmung des Leistungszeitpunktes. Folgendes ist dabei hervorzuheben:

Allgemein

Der maßgebliche Zeitpunkt für die Bestimmung des anwendbaren Steuersatzes ist der Zeitpunkt der Lieferung bzw. der sonstigen Leistung. Während es bei einer Lieferung grundsätzlich auf die Verschaffung der Verfügungsmacht an dem gelieferten Gegenstand ankommt, ist bei einer sonstigen Leistung der Zeitpunkt maßgeblich, in dem diese vollendet wird.

Besonderheiten sind bei erhaltenen Anzahlungen und bei der Anwendung der sog. Ist-Versteuerung zu beachten. In diesen Fällen entsteht die Umsatzsteuer zwar bereits bei der Vereinnahmung des Entgelts. Allerdings richtet sich der anwendbare Steuersatz auch hier nach dem Zeitpunkt, in dem der Umsatz ausgeführt wird. Wenn also z.B. am 15.06.2020 eine Anzahlung vereinnahmt wird, der Umsatz aber erst am 15.07.2020 ausgeführt wird, dann unterliegt dieser dem Steuersatz von 16 % (oder ggf. 5 %). Die für Juni 2020 abgeführte Umsatzsteuer ist im Juli 2020 insoweit zu korrigieren, wie der anwendbare Steuersatz gesunken ist.

Teilleistungen

Teilleistungen sind wirtschaftlich abgrenzbare Teile einheitlicher Leistungen (z. B. Werklieferungen und Werkleistungen), für die das Entgelt gesondert und im Voraus vereinbart wird. Bei der Frage nach dem anwendbaren Steuersatz kommt es darauf an, wann die jeweilige Teilleistung erbracht worden ist.

Bei Projekten, die sich über einen oder ggf. sogar über beide Änderungsstichtage (01.07.2020 bzw. 31.12.2020) erstrecken, kann es daher auf eine genaue Identifizierung und Abgrenzung von Teilleistungen ankommen. Bei Werklieferungen ist i. d. R. das Datum der Abnahme durch den Auftraggeber maßgeblich, während eine Teilleistung im Rahmen einer Werkleistung jeweils vollendet sein muss. Weiterhin muss jedes Teilentgelt auch gesondert abgerechnet werden.

Dauerleistungen

Bei Dauerleistungen handelt es sich in der Regel um sonstige Leistungen (z. B. Vermietungen, Leasing, Serviceleistungen). Es kann sich aber auch um die Gesamtheit mehrerer Lieferungen (z. B. von Baumaterial) handeln. Dauerleistungen werden entweder über einen bestimmten Zeitraum oder unbefristet erbracht.

Grundsätzlich werden zeitlich begrenzte Dauerleistungen in Form sonstiger Leistungen mit Beendigung des entsprechenden Rechtsverhältnisses ausgeführt. Bei Sukzessivlieferungsverträgen ist der Zeitpunkt jeder einzelnen Lieferung maßgebend.

Oftmals wird jedoch bei Mietverhältnissen, Serviceleistungen und ähnlichen Verträgen eine periodische (z. B. monatliche oder quartalsweise) Abrechnung vereinbart. In solchen Fällen liegen zeitlich entsprechend abgegrenzte Teilleistungen vor. Die vorstehenden Grundsätze für Teilleistungen gelten dann entsprechend.

Verträge über Dauerleistungen, die als Rechnung anzusehen sind, werden in aller Regel jeweils zum 01.07.2020 und zum 31.12.2020 an den jeweils geltenden Steuersatz anzupassen sein.

Behandlung von „Altverträgen“

Sofern die Parteien bei Abschluss eines Vertrages noch von der Geltung eines Steuersatzes von 19 % bzw. 7 % ausgegangen sind, die Leistung aber zwischen dem 01.07.2020 und dem 31.12.2020 erbracht wird, stellt sich die Frage, wie sich der geringere Steuersatz auf den Preis auswirkt. Hierbei kommt es in erster Linie auf die zivilrechtliche Vereinbarung zwischen den Parteien an, d. h. ob diese einen Netto- oder einen Bruttopreis vereinbart haben.

Unter bestimmten Voraussetzungen kann der eine Vertragsteil von dem anderen einen angemessenen Ausgleich der umsatzsteuerlichen Mehr- oder Minderbelastung aufgrund einer Steuersatzänderung verlangen (§ 29 Abs. 2 UStG).

Änderung der Bemessungsgrundlage

Hat sich die Bemessungsgrundlage für einen steuerpflichtigen Umsatz geändert, hat der Unternehmer den geschuldeten Steuerbetrag zu berichtigen. Zeitlich ist die Berichtigung erst für den Besteuerungszeitraum vorzunehmen, in dem die Änderung der Bemessungsgrundlage eingetreten ist. Hinsichtlich des Steuersatzes ist allerdings darauf abzustellen, wann die Leistung erbracht worden ist.

Wenn also z. B. im August 2020 eine Änderung der Bemessungsgrundlage eintritt (z. B. Wertberichtigung einer Forderung), und der zugrundeliegende Umsatz im März 2020 ausgeführt worden ist, dann ist die Umsatzsteuer mit dem Steuersatz aus März 2020 (19 % oder 7 %) im August zu berichtigen.

Ein weiterer Anwendungsfall für die Änderung der Bemessungsgrundlage ist die Gewährung von Jahresrückvergütungen, Jahresboni, Treuerabatten etc. Hier ist zu prüfen, inwieweit der Gesamtbetrag solcher Rückvergütungen auf Umsätze zum bisherigen Steuersatz einerseits und zum temporär geminderten Steuersatz andererseits entfällt.

Gutscheine

Die umsatzsteuerliche Behandlung von Gutscheinen ist mit Wirkung ab dem 01.01.2019 neu geregelt worden. Für, seit diesem Stichtag, ausgegebene Gutscheine wird unterschieden zwischen Einzweck- und Mehrzweckgutscheinen. Der Unterschied besteht darin, dass beim Einzweckgutschein ein Leistungsaustausch schon im Zeitpunkt der Ausgabe des Gutscheins fingiert wird, während es beim Mehrzweckgutschein nur darauf ankommt, wann die Leistung tatsächlich erbracht wird.

Für einen vor dem 01.07.2020 ausgegebenen Einzweckgutschein, der zu einem beliebigen Zeitpunkt vor oder ab dem 01.07.2020 eingelöst werden kann, stellt sich die Frage, ob es sich angesichts der Steuersatzänderung immer noch um einen Einzweckgutschein im steuerrechtlichen Sinne handelt, oder ob dieser künftig aufgrund der nicht eindeutig feststehenden geschuldeten Steuer wie ein Mehrzweckgutschein zu behandeln ist. Hier bleibt eine Klarstellung seitens der Finanzverwaltung abzuwarten. Ein Mehrzweckgutschein ist dagegen letztlich nur ein Zahlungsmittel. Die umsatzsteuerliche Behandlung der damit bezahlten Leistung richtet sich danach, wann diese tatsächlich ausgeführt wird und ob diese dem Regelsteuersatz oder dem ermäßigten Steuersatz unterliegt.

Fehler beim Steuerausweis

Sofern der leistende Unternehmer unzutreffend eine zu hohe Steuer ausweist (z.B. 19 % statt 16 %), schuldet er diese Steuer nach § 14c Abs. 1 UStG. Ist der Leistungsempfänger ein vorsteuerabzugsberechtigter Unternehmer, kann er die Differenz zur korrekten Steuer nicht als Vorsteuer abziehen. Dies unterstreicht die Bedeutung einer sorgfältigen Rechnungsprüfung.

Die vorstehende Auflistung erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Weitere Besonderheiten können sich z. B. bei der Rücknahme von Leergut, bei der Personenbeförderung und im Gastgewerbe ergeben.

 

Weitere Informationen finden Sie hier:

Corona-Krise – Erste Hilfe von PKF

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