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Finanztransaktionssteuer

Bundestagswahl 2021 – Steuerpläne im Fokus

Seit der Finanzkrise rund um die Pleite der Lehman Brothers Bank 2008 gibt es immer wieder Bestrebungen eine Finanztransaktionssteuer (FTT) einzuführen. Zuletzt wollte Olaf Scholz (SPD) diese während der deutschen EU-Ratspräsidentschaft 2020 europaweit einführen. Mit dem ursprünglichen Plan der EU-Kommission sollten 50 Milliarden Euro jährliche Einnahmen für den EU-Haushalt generiert werden. Obwohl in aktuellen Meinungsumfragen 65% der Bürger in der Europäischen Union die Einführung einer FTT befürworten, scheiterte er an ihrer Einführung. Auch im aktuellen Wahlkampf zur Bundestagswahl 2021 ist das Thema FTT hoch aktuell und deren Einführung wird in den großen Parteien unterschiedlich gesehen. CDU/CSU als auch die GRÜNEN plädieren für die Einführung einer FTT auf europäischer Ebene, wohingegen SPD und die LINKE auch eine nationale FTT einführen würden. Die FDP hingegen schließt die Einführung einer FTT in ihrem Steuerprogramm kategorisch aus. Zum Sinn oder Unsinn dieser FTT haben wir den Steuerberater Thomas Niemann, Partner der PKF WULF GRUPPE im Interview befragt:

Hallo Herr Niemann, wie erleben Sie die aktuelle Diskussion rund um die FTT in der Bundestagswahl 2021?

Niemann: Die Diskussion über die Einführung einer FTT ist ja nicht neu und überrascht mich angesichts leerer Staatskassen aufgrund der Ausgabenexplosion während der Pandemie nicht. Die Parteien sind zur Finanzierung der Wahlkampfversprechen schier verzweifelt auf der Suche nach neuen Einnahmequellen.

Klingt, als ob Sie der Einführung einer solchen Steuer kritisch gegenüberstehen. Dabei soll diese Steuer doch für die Erhöhung der Finanzmarktstabilität sorgen.

Niemann: Ganz recht. In Zeiten von Niedrigzinsen, in der die private Altersvorsorge elementarer Bestandteil der Alterssicherung ist und ohne Aktien eine auskömmliche Rente für die meisten nicht erreichbar ist, setzt die Politik mit einer Steuer auf den Handel mit Aktien völlig falsche Signale. Dabei ist das ursprüngliche Ziel, den Hochfrequenzhandel, bei der große Geldmengen innerhalb von Sekunden hundertfach computergesteuert den Besitzer wechseln, unattraktiv zu machen und so gefährliche Marktverwerfungen zu vermeiden, ja sehr ehrenwert. Auf den ersten Blick kann dieses Ziel mit einer FTT auch erreicht werden. In der Praxis weichen die Marktteilnehmer auf den globalen Finanzmärkten schlicht in ein Land ohne solche Steuer aus. Dies kann bereits heute bei unseren französischen Nachbarn beobachtet werden, die eine nationale FTT im Dezember 2018 eingeführt haben. Dort zeigen die bisherigen Erfahrungen keine Erhöhung der Marktstabilität. Die professionellen Marktteilnehmer haben längst Wege der Umgehung gefunden und einzig die Kleinsparer werden getroffen.

Olaf Scholz hatte während der deutschen EU-Ratspräsidentschaft versucht eine FTT auf europäischer Ebene einzuführen. Warum ist dieses Vorhaben aus Ihrer Sicht gescheitert?

Niemann: Die Möglichkeit, erhebliche Steuereinnahmen für den europäischen Haushalt zu generieren und gleichzeitig das labile Finanzsystem zu stärken, schien vielen Politikern gut zu gefallen. Man konnte jedoch beobachten, wie nach und nach immer mehr EU-Staaten ihr Veto gegen diesen Plan einlegten. Nachdem lediglich zehn willige Staaten verblieben sind, war von der ursprünglichen Idee einer FTT mit breiter Bemessungsgrundlage, die Aktien, Derivate und Anleihen umfasst und so Ausweichbewegungen des Hochfrequenzhandels auf andere Finanzprodukte verhindert, nichts mehr übriggeblieben. Es sollte nicht mehr umfassend besteuert werden, sondern nur noch der Aktienhandel der Steuer unterliegen. Für professionelle Marktteilnehmer ist die Umgehung kein Problem. Anstelle von Aktien würden sie Derivate, die die Aktie als Basiswert haben, handeln. Der Hochfrequenzhandel wurde gar vollständig ausgenommen. Die Zeche hätte nur der Kleinaktionär, der gerne Aktien bekannter deutscher und europäischer Unternehmen kauft, gezahlt.

Wenn die Einführung auf europäischer Ebene bereits mehrfach scheiterte, warum fordern alle großen Parteien außer der FDP dennoch die Einführung einer solchen Steuer?

Niemann: Zum einen gibt es in der Bevölkerung eine recht hohe Zustimmung, den Aktienhandel zu besteuern. Da lässt sich leicht mit dem Finger auf die gierigen Banker zeigen und so Wahlkampf machen. Vor allem dann, wenn man bereits weiß,

dass die Forderung aufgrund des Widerstands der europäischen Partner scheitern wird. Zum anderen müssen die Parteien zumindest auf dem Papier aufzeigen, wie all die schönen Wahlversprechen finanziert werden können. Bei einer Aktionärsquote von knapp 8% werden auch nicht allzu breite Wählerschichten getroffen. Vergessen wird hierbei gerne: Die meisten Riester-Verträge, betriebliche Altersvorsorgeprodukte und Rürup-Renten sind in Aktien investiert und werden dadurch ebenfalls von der Steuer erfasst, dies schmälert die spätere Rente weiter.

Wenn Sie am 26. September zur Wahl ständen, wie würden Sie das Thema behandeln?

Niemann: Wir befinden uns gerade in der Corona-Krise. Gerade jetzt kann es sich die Politik, nach meinem Dafürhalten nicht erlauben, für deutsche wie europäische Unternehmen, die sich am Kapitalmarkt Eigenkapital beschaffen wollen, die Rahmenbedingungen unattraktiver zu gestalten. Vielmehr sollte der Vermögensaufbau mittels Aktien für die breite Mittelschicht gefördert werden, um den Kapitalbedarf der produktiven europäischen Firmen für Zukunftsinvestitionen zu decken und Europa so fit für den globalen Wettbewerb zu machen. Eine Rentenvorsorge ganz ohne die Beimischung von Aktien zur Steigerung der Rendite, ist aus meiner Sicht in der aktuellen Niedrigzinsphase unerlässlich. Daher sollten die Verhandlungen über die FTT beendet werden. Eine weitsichtige Steuerpolitik würde ein klares Signal für mehr Aktienbesitz geben, damit die Menschen in Deutschland erfolgreich mit Aktien sparen und Vermögensaufbau betreiben. Außerdem gibt es sinnvollere Lösungen, um die Defizite der Corona-Hilfen auszugleichen.

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